Ein Meister macht Musik voller Wagnisse

Wayne Shorter: Altmeister mit ganz frischen Klängen
Eine Sternstunde des modernen Jazz – das Wayne Shorter Quartett im Konzerthaus.

Krönender Abschluss des Jazz-Zyklus Mittwoch im Konzerthaus in dieser Saison: John Patitucci spielt den Kontrabass mit dem Bogen beim Intro. Danilo Perez setzt mit dissonanten Akkorden forte am Piano ein. Und Brian Blade schäumt alles noch so richtig auf am Schlagzeug.

Ehe sich Wayne Shorter am Tenor- und später auch am Sopransax behutsam einklinkt. Er ist jenseits der 80 und hat mit seinem aktuellen Album "Without a Net" gerade die Branche so stark verblüfft, dass die jungen New Yorker Musikerkollegen völlig aus dem Häuschen sind und sich fragen: Was macht er da? Und vor allem: Wie macht er es, dass wir es nicht nachspielen können?

Ohne Netz funktioniert auch seine Methode "Zero Gravity": Auf der völlig unangestrengten Suche nach dem ultimativen Klang und beim Entwickeln außergewöhnlicher Klangskulpturen ist alles möglich, die Richtung stets unvorhersehbar, auch wenn vor den Musikern Notenblätter liegen.

Gespielt wird frei. Ohne Netz eben. Ohne musikalische Gemeinplätze. Die Grenzen von Jazz, Klassik und Neuer Musik sind außer Kraft gesetzt. Die konventionelle Song-Struktur – Thema, Refrain, Thema, Bridge etc. – ist aufgelöst.

So sagte Patitucci einmal, mit Shorter aufzutreten sei, "als würdest du ständig am Rande des Abgrunds gehen".

Was man glaubte zu kennen von Aufnahmen, kommt überraschend verändert daher. Wie dekonstruiert und wieder anders zusammengesetzt. Stillstand und stupide Reproduktion gibt’s in dieser Konstellation nicht. Nur Experimentierfreude. Anspruchsvoll ist diese Musik voller Wagnisse allemal, und sie lässt so manchen Zuhörer auf der Suche nach Gehörschmeichler-Melodien verzweifeln. Denn die wurden diesmal nicht geliefert.

KURIER-Wertung:

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