Jasper Johns: Doppeldeutiges im dehnbaren Dialog
In unserem Zeitalter der Superlative und der knappen Aufmerksamkeits-Ressourcen könnte die neue Ausstellung des Belvedere eigentlich als magisches Mega-Ereignis verkauft werden: Drei Superstars der Malerei – in nur einem Bild! Im Vorteils-Pack erhältlich mit Klimt, Schiele und Kokoschka!
Die Schau „Jasper Johns – Regrets“ (bis 26.4.), für die zwei Schausäle des Oberen Belvedere ausgeräumt wurden, versucht nichts dergleichen. Denn Jasper Johns, der in den 1950ern mit Bildern von Flaggen und Zielscheiben zum Star und Vorläufer der Pop Art wurde, ist ein Meister der Subtilität.
Kunst über Kunst
Für das Belvedere muss das Angebot unwiderstehlich gewesen sein, dieses verschlüsselte Titanentreffen, das zuvor im New Yorker Museum of Modern Art und im Londoner Courtauld Institute zu sehen war, in Wien zu präsentieren: Zu der per Museumsordnung verankerten Rolle als „Museum für österreichische Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ passt die Schau nämlich nicht. Direktorin Agnes Husslein verweist auf Nachfrage auf den Zusatz, dass auch internationale Kunst „im Zusammenhang mit der Kernkompetenz“ gezeigt werden solle, und bemüht das Argument, dass Johns’ Serie im Belvedere in einen „Dialog“ mit Schiele & Co. trete.
(Fast) alles ist Dialog
Durch die Spiegelung des Bilds ergab sich bei Johns zudem ein vielsagender Zufall: Die abgerissenen Kanten und Knicke der Fotovorlage ergeben in der Verdopplung die Umrisse eines Totenkopfs. Dieses Motiv kommt in Johns’ Werk oft vor, und es steht seit Jahrhunderten auch für die Ermahnung „memento mori“ („Gedenke des Todes“).
An Anbindungen zur Kunstgeschichte würde es also nicht mangeln – doch weder Künstlerporträts, noch Memento-Mori-Motive sind im Belvedere „dialogfähig“ gehängt. Mit gutem Willen könnte man ein Naheverhältnis zwischen Johns’ Bildstrukturen und den Oberflächen der Gemälde Gustav Klimts konstruieren, doch diese hängen am anderen Ende des Museumstrakts.
Im Belvedere, zwischen Messerschmidt-Köpfen und Biedermeier-Malerei postiert, bleibt die Schau aber ein Fremdkörper – und ein Memento der Dehnbarkeit museumspolitischer Vorgaben.
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