Genauso wie sich Wahrheit und Traum in der Wahrnehmung der historischen Figur des Sturm-und-Drang-Dichters um 1778 vermischen, entsteht ein ständig changierendes Klanggewebe: Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ (UA 1979 in Hamburg), die zu den am meisten gespielten Werken des zeitgenössischen Musiktheaters zählt und die deutliche Bezüge zu Schönberg und Berg aber auch Nono und sogar Bach aufweist, wird jetzt am Stadttheater Klagenfurt höchst erfolgreich aufgeführt. Das liegt einmal an den Musikern, von denen das in der Partitur so vorgesehene, nur elfköpfige Ensemble des Kärntner Sinfonieorchesters unter dem extrem präzisen und souverän schlagenden Kapellmeister des Hauses, Mitsugu Hoshino, die abrupten Wechsel, die Drastik aber auch Lyrik hochkonzentriert und packend wiedergeben. Das liegt aber auch an den Sängern, allen voran am Titelhelden: Ivan Ludlow muss schreien, keuchen, hauchen und ihn kaum mehr singbare Höhen vordringen, singt aber auch lyrische, liedhafte Passagen. Auch szenisch zeichnet er die extremen Stimmungsschwankungen körperlich großartig nach. Auf kalten, eisernen Plattformen und sich senkenden Querbrücken und einem zu Beginn und am Ende hoch oben schwebenden Netzbett (Bühne: Thomas Stingl) sowie einigen die Visionen von Lenz illustrierenden Projektionen wird packend und körperbetont agiert. Und das Premierenpublikum jubelte!
Helmut Christian Mayer
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