Italienische Lebenszeichen

Oriana Fallaci
2017 kommen Claudio Magris und Primo Levi – aber was ist heuer noch los in Rom, Bologna, Neapel?

Egal, ob "Meine geniale Freundin" von – wer immer hinter dem Pseudonym steckt – Elena Ferrante gefällt oder nicht (nein, dieser erste Teil der neapolitanischen Saga hat nicht gefallen; uninspiriert, langweilig):

Immerhin machte Ferrante damit aufmerksam, dass es Literatur in Italien gibt. Früher war das ja klar, heute muss man darauf hinweisen ... und sich freuen, dass der Hanser Verlag im Frühjahr 2017 herausbringt: a) Claudio Magris’ "Verfahren eingestellt" über ein Museum der Grausamkeiten; und b) Unveröffentlichtes von Primo Levi zum Thema "So war Auschwitz".

Sonst, wenn nicht gerade Neues von Turiner Schriftstellern Paolo Giordano ("Die Einsamkeit der Primzahlen") und Davide Longo ("Der aufrechte Mann") erscheint, schaut’s trauriger aus. Und doch wird man in den Herbstprogrammen der Verlage fündig ...

Alessandro Baricco: "Smith & Wesson" (übersetzt von Annette Kopetzki, Hoffmann und Campe Verlag, 112 Seiten, 18.50 Euro)

Noch ein Turiner. Baricco hatte bessere Zeiten. "Seide" machte ihn weltberühmt, seither trickst er und braucht dafür Ausgefallenes. Hier Mr. Smith, der bei den Niagarafällen ergründen will, wie das Wetter im Juni 1889 war; und Mr. Wesson, der dort die Leichen der Selbstmörder herausfischt. Der Versuch, Großes zu leisten, scheitert in Dialogform. Baricco beherrscht es, Menschen allein durch ihr Reden zu beleben. Es klingt nach Loriot und Samuel Beckett.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Cristina De Stefano: "Oriana Fallaci" (übers. von Judith Schwaab, btb 344 Seiten, 12,40 Euro)

Die erste von der Erben autorisierte Biografie, da konnte halt nicht so überdeutlich stehen, wie sich die berühmte Journalistin am Ende ihres Lebens wegen ihrer Islam-Kritik von den Rechten vereinnahmen ließ. Ein Preis wird in ihrem Namen vergeben, z.B. an den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders. Hingegen wird gut gezeigt, wie kämpferisch Fallaci war und schrieb: Wenn Menschen, ja Völker sterben, dann könne man sich doch nicht für Liebschaften von Filmstars interessieren!!!

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Leonardo Sciascia: "Der Ritter und der Tod / Ein einfacher Fall" (übersetzt von Peter O. Chotjewitz, Wagenbach, 122 Seiten,10.20 Euro):

Der Wagenbach Verlag vergisst den Sizilianer Sciascia nicht. In dessen letzten Kurzkrimis aus 1988/1989 ist die Mafia nicht mehr "provinziell" unterwegs, sondern im Drogen- und Waffenhandel. Polizisten können Ritter sein, aber auch Mörder. Auch Priester bieten nicht immer Schutz. Was routinemäßig beginnt, verunsichert von Seite zu Seite mehr.

KURIER-Wertung: ****

Maurizio de Giovanni: "Der dunkle Ritter" (übers. von Susanne Van Volxem, Kindler Verlag, 381 Seiten, 20.60 Euro):

Die neue Serie aus Neapel. Im Kommissariat haben alle Dreck am Stecken, aber sie sind ein tolles Team. Ein Zehnjähriger wurde entführt. Er klammert sich im Versteck an seine Batman-Puppe. Die Geschichte wird weh tun, weil ihn nicht einmal Batman retten kann. De Giovanni wurde mit Commissario Riccardi bekannt, der in der Mussolini-Zeit ermittelte und die schreckliche Gabe besaß: Er sah die letzte Sekunde der Ermordeten und hörte den letzten Gedanken.

Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini: "Die Nacht von Rom" (übers. von Karin Fleischanderl, Folio , 318 Seiten, 24 Euro)

Finsterer geht’s nicht mehr, echter auch nicht. Rom versinkt in Dreck und Verbrechen. Wie viele korrupte Politiker soll man noch absetzen, einsperren? Nur ein Funken Fiktion genügt, um den Thriller "brennen" zu lassen. Richter De Cataldo und Journalist Bonini sind, nach "Suburra", zum zweiten Mal ein Autoren-Paar und machen Angst vor den Menschen und ihrer Gier – es interessierte offensichtlich überhaupt nicht, dass Papst Franziskus 2015 zum Jahr der Barmherzigkeit, der Menschlichkeit erklärt hatte.

KURIER-Wertung: ****

Stefano Benni: "Die Pantherin" (übersetzt von Mirjam Bitter, Wagenbach, 92 Seiten, 15.50 Euro)

Benni schafft es, vom Billardspielen in seiner Heimatstadt Bologna zur großen Hoffnung zu gelangen, nämlich dass eines Tages die Kugel am richtigen Platz liegen bleibt und wir Glück haben, auch wenn wir Nieten sind. Nur ein Spiel gibt es im Leben, eine Chance, dann gehen die Lichter aus. Großartige Kleinkunst. Wieso wird der mittlerweile 69-Jährige zwar in Italien seit Jahrzehnten wahrgenommen (2,5 Millionen verkaufte Bücher), aber im deutschsprachigen Raum unter seinem Wert geschlagen?

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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