Italienische Bestseller entstanden beim Spaghettikochen

Italienische Bestseller entstanden beim Spaghettikochen
Erinnerungen an die einst berühmte, heute vergessene Schriftsteller-"Firma" aus Turin.

Vor der Universität in Rom demonstrierten Hunderte Studenten. Es war eine faschistische Demonstration. Die Studenten huldigten im Mai 1941 Mussolini. In der Menge stand ein 21-Jähriger und ließ in unbeobachteten Momenten aus der Manteltasche viele bunte Papierschlangen fallen. Die hatte er daheim im Keller mithilfe des Spielzeugs „Der kleine Buchdrucker“ mühsam mit Buchstaben versehen und wieder aufgerollt. Auf der Innenseite standen Sätze gegen den Krieg und gegen den Duce. Die Demonstranten – und genau das war der Plan – hoben die Papierschlangen bedenkenlos auf und warfen sie in die Luft. Hurra.

Und er, der junge Mann im Widerstand, verständigte inzwischen die Polizei, die sofort kam und prügelte und Dutzende Faschisten wegen der pazifistischen Propaganda festnahm ... So einer war Lucentini. Lucentini? Fruttero? Man vergisst so schnell. Man ist so schnell wirklich tot. „Die Firma“ aus Turin wurden die zwei Freunde genannt, und auf die gemeinsamen literarischen Amüsements, die sie hinterließen, wartete man in den 1980er- Jahren ungeduldig.

Wie heute vielleicht auf Neues von Martin Suter (wartet heute noch jemand auf bestimmte Autoren, auf bestimmte Bücher?): Die Romane der „Firma“ heißen „Die Sonntagsfrau“, „Der Palio der toten Reiter“, „Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ ... Stets waren es literarische Irrgärten (in Turin, Siena, Venedig).

Nachtgesang

Franco Lucentini starb 2002. Er war 82. Carlo Fruttero starb vergangenes Jahr. Er war 85 – und verabschiedete sich mit einem Erinnerungsbuch, das jetzt unter dem Titel „Der Herr mit Zigarette“ in der Übersetzung vorliegt. Abgesehen davon, dass Carlo Fruttero erst gegen Ende Leopardis „Nachtgesang eines wandernden Hirten in Asien“ verstand, den er im Gymnasium mit Schrecken hatte lernen müssen – „Und ob man niedrig sei, ob hoch erhoben, Ist Allen gleich das Leben eine Bürde“ –, wird endlich verraten, wie Fruttero und Lucentini gemeinsam arbeiteten.

Erinnerungen an die einst berühmte, heute vergessene Schriftsteller- „Firma“ aus Turin.Es hieß immer, der eine schreibe an den geraden, der andere an den ungeraden Kapitel. Aber das war ein Witz. Es ist auch nicht wahr, dass Fruttero Montag schrieb und Lucentini Dienstag. Die beiden verheirateten Männer saßen zusammen; und schwiegen; und verwarfen Ideen; und schwiegen wieder; und schlugen im Garten spaßhalber lange Nägel ins Holz; und kochten Spaghetti. Die waren Lucentini immer zu al dente und Fruttero zu weich.

KURIER-Wertung: **** von *****

Italienische Bestseller entstanden beim Spaghettikochen
Carlo Fruttero: „Ein Herr mit Zigarette“, übersetzt von Luis Ruby. Piper Verlag. 288 Seiten 20,60 Euro.

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