KURIER: Frau Meyer, Ihr Film ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Wie ist Ihnen die Idee dazu gekommen?
Constance Meyer: Die Idee zu „Robuste“ kam mir beim Betrachten eines Fotos. Ein kräftiger Mann liegt bewusstlos in den Armen einer Frau. Ein Bild, das gleichzeitig Verletzlichkeit und Hemmungslosigkeit ausstrahlt. Rund um diese Momentaufnahme wollte ich eine Geschichte konstruieren. So sind Aïssa und Georges entstanden. Dazu brauchte ich eine Frau, die stark genug ist, um Georges zu „tragen“ und zu ertragen. Eine Frau, die einen misanthropischen Sturschädel dazu bringen kann, sich dem eigenen Ich zu stellen und die Welt rund um ihn zu akzeptieren. Ich brauchte dazu aber auch einen Mann wie Georges. Einen, der Aïssa mit seiner gleichzeitig verletzlichen und verletzenden Ehrlichkeit die Augen öffnet, damit sie ihren Boyfriend loslassen kann – einen „Liebhaber“, der sie nicht „lieben“, sondern nur „haben“ will.
Haben Sie die Rolle der Aïssa auch für die Schauspielerin Déborah Lukumuena geschrieben?
Ja. Sie strahlt genau diese Mischung aus weiblicher Empfindsamkeit und männlicher Stärke aus, die ich mir für diese Rolle vorgestellt habe. Sie hat auch im wirklichen Leben diese Komplexität, die Menschen spannend macht. Déborah Lukumuena ist mit ihrer Familie als Flüchtling nach Frankreich gekommen. Sie wurde früh vom Vater verlassen. Trotzdem hat sie es geschafft, nach Ende der Schulzeit an der Universität Sorbonne in Paris ein Literaturstudium zu beginnen. Sie wollte Lehrerin werden und ist nur durch Zufall zur Schauspielerei kommen. Inzwischen hat sie sogar den französischen Oscar, den „César“ gewonnen.
Bei Gérard Depardieu denkt man zuletzt mehr an seine strittige Freundschaft mit Wladimir Putin und daran, dass er russischer Staatsbürger geworden ist. Hatten Sie da nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs nicht die Sorge, dass der Film womöglich gar nicht ins Kino kommt?
Mein Film ist in Frankreich im Februar ins Kino gekommen. Eine Woche nachdem Putin der Ukraine den Krieg erklärte. Depardieu hatte mit seinen Polemiken gegen Frankreich immer schon für Dispute gesorgt. Dabei gibt es in meinen Augen kaum einen französischeren Menschen als ihn. Gerade, weil er immer über Frankreich schimpft – wie die meisten unserer Landsleute, die lieber jammern als zugeben wollen, dass es ihnen hier gut geht. In der Öffentlichkeit spielt Depardieu gerne den Widerspenstigen, aber wenn man ihn näher kennenlernt, dann ist er das genaue Gegenteil. Sehr rücksichtsvoll, großzügig, höflich und sanft.
Eben weil ich ihn mittlerweile recht gut kenne, bin ich überzeugt davon, dass seine Kritik an Putin und dem Krieg gegen die Ukraine nicht opportunistisch, sondern wirklich so gemeint ist. Er hat sich offensichtlich in Putin geirrt. Wie übrigens auch viele Politiker, die auf freundliche Worte nicht so leicht hereinfallen sollten wie Schauspieler, die Anerkennung brauchen.
Für mich als Regisseurin ist ein Schauspieler, der so viele Widersprüchlichkeiten in sich trägt, auf jeden Fall interessant und inspirierend.
Da sich Politiker kaum noch als Identifikationsfiguren eignen, suchen vor allem junge Menschen immer mehr in Künstlern und Schauspielern ihre Vorbilder. Wie denken Sie darüber?
Vor meinem Drehbuch zu „Robuste“ habe ich das Stück „Der Menschenfeind“ von Jean-Baptiste Molière gelesen und mich mit seiner Biografie auseinandergesetzt. Vor 400 Jahren war er ein Vorbild für die jungen Menschen in Frankreich. Er war ein mutiger Draufgänger, der sich von den Mächtigen seiner Zeit kaum beeindrucken ließ. Und trotzdem war er stolz darauf, in der Gunst von Ludwig XIV. zu stehen. Nur weil der Sonnenkönig seiner Theatergruppe einen festen Spielort in Paris gab, war Molière nicht blind für das Elend des Volkes.
Es war also offenbar immer schon so, dass sich Künstler gerne in der Gunst der Mächtigen ihrer Zeit gesonnt haben. Das soll keine Entschuldigung für Depardieus Fehleinschätzung von Putin sein, aber es sollte uns klar machen, dass wir wachsam bleiben sollten. Wer in einem Schauspieler ein Vorbild sieht, sollte wissen, dass auch berühmte Menschen irren können. Aber das sollte Künstler nicht davon abhalten, sich zu ihrer Haltung zu bekennen.
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