Zwei Monate verbrachte Marcus Füreder voriges Jahr „heftigst krank“ nur im Bett. Der Erfinder des Electro-Swing war erschöpft – sowohl physisch als auch psychisch. Aber die Inspiration kam zurück. Jetzt arbeitet Füreder an einem neuen Album und ist auch in seinem Atelier als bildender Künstler wieder aktiv.
Marcus Füreder: Ich habe einfach in den letzten Jahren zu viel Druck gehabt. Zehn Jahre lang habe ich nie Pause gemacht und Nachtschichten eingelegt, wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Irgendwann hat mich mein Körper gezwungen, Pause zu machen. Ich konnte 2018 gerade noch die Sommer-Tour fertig spielen, bin Anfang September völlig erschöpft und planlos in meinem täglichen Leben gelandet und habe nicht mehr gewusst, wofür ich es noch habe und was ich damit tun soll. Für zwei Monate bin ich nicht mehr aus dem Bett gekommen. Es war, als wäre ich für eine gewisse Zeit aus den Schienen gehüpft.
Das klingt, als hätten Sie die Genesung nicht beeinflussen können.
Das war ja das Problem! Ich bin ein Kontrollfreak und wollte es beeinflussen. Ich habe mir immer gedacht, wo ist dieses tolle Gefühl, das ich immer im Studio oder in meinem Atelier hatte? Wo sind meine Gefühle im Allgemeinen hingekommen? Bin ich jetzt ein alter Sack geworden, der so abgebrüht ist, dass ihn gar nichts mehr begeistern kann? Das hat Ende 2017 angefangen, und ich wollte immer erzwingen, dass dieses Gefühl zurückkommt. Aber irgendwann war mir klar, dass ich diese Phase nur rauszögere, wenn ich mich dagegen wehre. So habe ich für zwei Monate die Musik und die Kunst komplett weggeschoben. Ich hab das komplette Netflix durchgeschaut, das Internet auswendig gelernt, viel gelesen und sehr viel nachgedacht. Und erst, als ich die Sehnsucht danach losgelassen habe, kam die Inspiration zurück.
Und jetzt arbeiten Sie wieder an einem Album?
Es wird noch heuer rauskommen und sehr abwechslungsreich werden. Ich habe wieder sehr viele Stile gemischt – von Hip-Hop bis zum Pop-Song bis zu meinen klassischen Sampling-Ansätzen. Ich bin gespannt, wie die Leute das aufnehmen werden, weil ich die Reaktionen auf den Song „TROUBLE“ gesehen habe, über die ich aber nur schmunzeln kann.
Was stimmte damit nicht?
Nach den Aussagen der Leute bin ich damit zu weit in Richtung Pop gegangen. Sie haben mir unterstellt, ich würde jetzt Pop-Star werden wollen. Ich bin davon zwar weit entfernt, aber ich denke, es muss einem Künstler freistehen, auch andere Wege zu gehen.
Welchen Sinn macht es für Sie, in Zeiten von Streaming-Diensten noch ein Album zu machen?
Als ich vor 15 Jahren angefangen habe, habe ich Vinyl produziert. Da haben alle gesagt, was ist denn mit dem los? Das interessiert ja keine Sau mehr. Ich habe gesagt, das kann schon sein, aber ich möchte es auf Vinyl haben. Und so ist es auch jetzt: Natürlich will ich mich den technischen Entwicklungen nicht entziehen und sie nützen. Aber für mich ist dieser Fokus auf einzelne Tracks, wie wenn man sich ein Buch kauft und nur Kapitel sechs und Kapitel neun davon liest. Ich will eine Geschichte erzählen. Und das kann ich nur mit einem Album. Ich freue mich über Menschen, die es in seiner Gesamtheit hören. Und wenn sich 90 Prozent nur einen Track anhören, aber das sind dann 300 Millionen, freue ich mich auch.
Es haben aber nicht alle so grandiose Streamingzahlen wie Sie. Halten sie Streaming-Dienste trotzdem für fair?
Die Leute sagen immer: „0,004 Cent für einen Stream, das ist nichts. Früher habe ich eine CD verkauft und das und das dafür gekriegt!“Richtig, das Geld hat man dann in der Tasche gehabt. Aber bei Spotify bekommst du das auf Raten über viele Jahre hinweg. Denn keiner kauft eine CD zwei Mal. Aber wenn du Musik machst, die ein bisschen zeitlos ist, wird das über viele, viele Jahre hinweg immer wieder gestreamt. Ich finde diesen Ansatz gar nicht so schlecht.
Was hat Sie bewogen, zum Elwood-Festival zu kommen?
Wir haben die Wiener Stadthalle ausverkauft und hatten heuer wieder ein Angebot, dort zu spielen. Aber da bin ich zu sehr Künstler und denke mir, was kann ich dort erreichen? Ich kann es nur wiederholen! Und ich versuche, in Österreich immer wo zu spielen, wo wir noch nicht waren. Es ist irgendwie abstrakt, dort zu spielen, und genau das freut mich. Genauso wie es mich freut, uralte Musik mit elektronischer zu kombinieren.
Diese Kombination hat Sie zum Weltstar gemacht. Was war der schönste Auslandsauftritt?
Das war vor 12 Jahren im Kosovo, wo wir in einem Bunker gespielt haben. Während des Auftritts sind Militärpatrouillen reingekommen. Das war beängstigend, aber gleichzeitig auch ein unglaubliches Erlebnis, weil ich gesehen habe, wie diese Mensch vom Krieg so durchgeschüttelt worden sind, dass man denken könnte, sie müssten emotional zerstört sein. Sie haben das Konzert aber so dankbar aufgenommen haben, weil sie dabei 90 Minuten Urlaub von ihrer Realität machen konnten.
INFO
Das Elwood-Music-Festivals findet am 3. Juli in der Woodstock Area in Ort im Innkreis nahe der Grenze zu Bayern statt.
Mit dabei neben Parov Stelar: Avec, Hot Pants Road Club, Alma, Paenda und Q feat. Eric Papilaya.
Karten gibt es an der Abendkasse, Beginn ist um 16.30 Uhr.
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