Schlager-Boom, vom Mars aus gesehen

Fettes Brot
Fettes Brot probieren auf ihrer neuen CD einen – vielleicht ein bisschen zu – breiten Spagat.

Der zugegeben recht flache Witz, dass wir viel zu alt für Teenager sind, hat uns schon auch ganz gut gefallen!"

"König Boris" Lauterbach, 41, grinst im KURIER-Interview immer noch darüber, dass sein Rap-Trio Fettes Brot das neue Album "Teenager vom Mars" genannt hat.

Der Hauptgrund dafür ist aber nicht dieser Witz, sondern die Entfremdung, die der Weltraum symbolisiert. "Ich glaube, dass sich in Zeiten wie diesen viele Leute fragen, auf welchem Planeten sie gelandet sind", erklärt Lauterbach. "Denn wenn man sich das Weltgeschehen ansieht, kann man doch nur den Kopf schütteln. Wir kommentieren es deshalb auch aus einer gewissen Distanz – so als wären wir auf dem Mars."

Pointiert

Für die neuen Songs heißt das noch mehr Vielfalt als bisher – sowohl musikalisch als auch in den Raps. Munter mischen die Hamburger Elektro, Rock, House, Pop und Hip-Hop. Und in den Texten verschwimmt die Kritik an vollen Innenstädten mit der an Bankmanagern, die am Hollywood-Schönheitsideal mit der Flüchtlings-Thematik. Auch wenn das Album musikalisch Spaß macht, die Lyrics sind diesmal etwas chaotisch und weniger witzig und pointiert als gewohnt.

Aber es gibt auch sehr gut gelungene Ausnahmen. In "Alle hörn jetzt Schlager" widmen sich Fettes Brot dem Trend, der Phänomene wie Helene Fischer und Andreas Gabalier hervorgebracht hat: "Ich will nicht sagen, dass alle, die diese Musik hören, sich auch eine konservative Welt wünschen. Aber sie sehnen sich sicher nach einer übersichtlicheren Welt, weil es natürlich schwierig ist, all das einzuordnen, was gerade aus den Fugen gerät. Sie wollen daher nur unter sich sein, sich abschotten, nichts von Außen mitkriegen und wünschen sich den Nationalstaat zurück. Ich finde, das ist eine irritierende Kombination. In solchen Zeiten müsste man wacher denn je sein."

Mit "Emmely" haben Fettes Brot der Supermarkt-Kassierin Barbara Emme ein Denkmal gesetzt. "Sie ist Anfang des Jahres verstorben", erzählt Martin "Dr. Renz" Vandreier. "Das hat uns an ihre Geschichte erinnert: Ihr wurde vorgeworfen, dass sie Flaschenpfand-Bons, die ein Kunde liegen gelassen hatte, selbst eingelöst hat. Deshalb wurde sie nach 30 Jahren gekündigt – wegen 1,30 Euro! Der ,Diebstahl‘ wurde aber nie beweisen. Und selbst wenn – das ist überzogen. Aber sie war im Betriebsrat engagiert und unbequem, sollte wohl auf diese Art entsorgt werden. Sie klagte dagegen, und in dritter Instanz wurde die Kündigung aufgehoben."

Info

Fettes Brot live:

22. 10. Linz/Posthof

23. 10. Graz/Orpheum

24. 10. Wien/Gasometer.

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