Mit Bademantel, Pantoffel und wenig Respekt vor der Klassik

Chilly Gonzales schrieb mit "Chambers" Pop-Stücke für ein Streichquartett.
Chilly Gonzales, einer der Gäste des JazzFestWien, baut Brücken zwischen Rap, Klassik und Pop.

"Ich mache moderne Musik mit einer alten Einfärbung", sagt Chilly Gonzales. "Ich eigne mir klassische Musik an – mit dem respektlosen Zugang eines Rappers, der zwei Sekunden aus einem Disco-Stück schneidet und daraus seinen Song macht."

Chilly Gonzales, als Jason Charles Beck in Kanada geboren, sitzt ein paar Stunden vor seinem Auftritt im Rahmen des Jazz Fest Wien in seiner Garderobe in der Wiener Staatsoper und resümiert im KURIER-Interview über die Anliegen, die ihn antreiben.

Das jüngste Projekt dabei: Das Album "Chambers", für das er Pop-Stücke für ein Streichquartett geschrieben hat. Donnerstag stellte Gonzales das live vor – mit dem musikalischen Können eines Pianisten, der Klassik und Jazz studiert hat, und dem Humor eines Komikers. Auch wenn er dafür oft von Klassik-Puristen abgelehnt wird, ist er schnell dabei, sie zu verteidigen: "Klar ist klassische Musik wie ein Gott, den alle anbeten. Aber es braucht diese Priester, die sie predigen und immer wieder Beethovens 5. Symphonie oder Chopins ‚Nocturne‘ aufführen, um sie zu bewahren. Aber es braucht auch Leute wie mich und Max Richter. Und ich habe ja nie behauptet, dass ich klassische Musik mache. Ich bin ein Pop-Musiker."

Bademantel

Seit Gonzales 1998 von Kanada danach Deutschland emigrierte, weil seine Karriere dort nicht in Schwung kam, will er Brücken bauen: "Damals wollte jeder von mir, dass ich mich entscheide. Dass ich entweder ernsthaft klassische Musik spiele oder Clown werde. Das sah ich nicht ein. Ich sah Rapper wie Busta Rhymes und dachte: ‚Der ist gleichzeitig todernst und höchst amüsant. So werde ich es angehen.‘ Also begann ich, in Bademantel und Pantoffel aufzutreten, offensichtlich eine lustige Kostümierung. Aber gleichzeitig wurde ich auf der Bühne auch sehr persönlich."

Seither hat Gonzales mit Feist und Björk, mit Daft Punk, dem Rapper Drake und mit Helge Schneider gearbeitet. Immer bemüht, neben der Brücke zwischen Rap, Pop und Klassik auch eine zwischen Kunst und Entertainment zu schaffen.

"Ich glaube, die beiden brauchen gar nicht so unterschiedlich sein", sagt er. "Sie wurden nur immer als Gegensätze verstanden. Hier der Entertainer, ein Bubblegum-Pop-Künstler, der seinem Publikum nichts als Mitsing-Formeln bietet. Das ist zynisch. Dort der Künstler, der nur für sich selbst arbeitet. Das ist Masturbation. In Wirklichkeit muss in einer guten Performance beides spürbar sein. Ich versuche immer, nicht nur eine Balance zwischen den beiden zu finden, sondern beides gleichzeitig auszustrahlen."

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