ImPulsTanz-Intendant Karl Regensburger: "Es war ein wilder Ritt"

Karl Regensburger hat ImPulsTanz gegen anfängliche Widerstände in der Stadt groß gemacht. Am Sonntag wurde er 71. Und noch immer kämpft er mit unglaublichem Enthusiasmus für sein Festival, das aus den 1984 mit Ismael Ivo gegründeten Internationalen Tanzwochen Wien entstanden war. Die jüngste Ausgabe, am 10. August zu Ende gegangen, war ein voller Erfolg. Aber sie hinterließ doch auch Spuren ...
KURIER: Sie schauen ein wenig mitgenommen aus.
Karl Regensburger: Es war ein wilder Ritt.
Warum denn?
Weil es doch ein sehr ambitioniertes Festival gewesen ist. Wir haben zum Beispiel das Burgtheater einen Monat lang angemietet und bespielt. Dazu das Akademietheater, das Volkstheater, das Odeon und so weiter, insgesamt gab es 20 Spielstätten. Die Anzahl der Performances war zwar geringer als im letzten Jahr, es gab allerdings 24 Zusatzvorstellungen, viele davon in den großen Häusern, und so sind wir auf 125 Vorstellungen gekommen. Aufgrund der Nachfrage wären sogar noch drei mehr möglich gewesen, wir wollten das Team aber nicht überfordern.

Das TAO Dance Theater begeisterte – u. a. mit der Choreografie „17“ (und ebenso vielen Tänzern).
Der chinesische Choreograf Tao Ye war mit den Produktionen „13“ und „14“ beziehungsweise „16“ und „17“ die große Überraschung?
Für das Publikum ja, ich habe mir aber diesen Erfolg erhofft. Wir sind seit fast drei Jahren in Kontakt, ein Gastspiel hat sich nur wegen der Tourneepläne des Tanztheaters nie ergeben. Heuer war es perfekt.
Erstaunlich war auch Amala Dianor und Kaplan mit „DUB“. Ein derart komplexes Bühnenbild ist ungewöhnlich bei Tanzperformances.
Es hat uns auch Kopfzerbrechen bereitet. Denn das oberste „Stockwerk“ war im Volkstheater vom zweiten Rang aus nicht ganz zu sehen. Wir haben daher seitlich große Bildschirme aufgehängt. Ja, diese Compagnie ist eine richtige Energiebombe. Das bewies sie schon bei der Eröffnung am 11. Juli im Museumsquartier, denn da präsentierte Kaplan die Produktion verkürzt auf 35 Minuten. Die Performerinnen und Performer waren von der Atmosphäre im MQ derart begeistert, dass sie nach dem Duschen wieder auf die Bühne sind – und eine volle Stunde weitergetanzt haben.
Im Resümee heißt es, dass ImPulsTanz „fulminant“ zu Ende gegangen sei, insgesamt hätten „über 200.000 Menschen“ das Festival besucht: „Die heurige Ausgabe war damit nicht nur restlos ausverkauft, sondern auch die bislang bestbesuchte.“ Bei so vielen Superlativen fange ich zu zweifeln an. Was ist nicht so gut gelaufen?
Zunehmend Schwierigkeiten haben wir mit dem Stipendienprogramm. Wir laden jedes Jahr 100 Leute aus der ganzen Welt ein, heuer aus fast 50 Ländern. Es geht eigentlich darum, Tanz-Seminare zu besuchen, Aufführungen zu sehen und Kontakte zu knüpfen. Aber manche beschäftigen sich am liebsten mit dem Gedanken, wie man das Festival noch besser machen könnte. Da gab es kontroverse Diskussionen.
Immer ausverkauft: Hat Ihnen das schlechte Wetter in die Hände gespielt?
Durchaus, was die Vorstellungen betrifft. Problematisch war es nur bei den „Public Moves“ im öffentlichen Raum, aber wir hatten Glück: Zumeist hat es unmittelbar davor zu regnen aufgehört – oder es regnete erst danach.
Wenn es eine Auslastung von 100 Prozent gab, dann gilt das auch für die Nachwuchsschiene [8:tension]. Tatsächlich? Denn da gab es viele Uraufführungen – und viele noch unbekannte Namen.
Ja, [8:tension] ist der Jungbrunnen, ein Viertel der rund 40 eingeladenen Gruppen und Künstler war zum ersten Mal in Wien. Die Schiene, sehr gut programmiert von Breanna O’Mara und Chris Haring, war hervorragend besucht: Das Publikum lässt sich auf Neues ein.
Was waren für Sie insgesamt die Highlights?
Zum Beispiel die Performance „GUSH IS GREAT“ der französischen Gruppe Production Xx. Die hat zwar nur eine halbe Stunde gedauert, war aber großes Tanztheater in einer sehr modernen Form: Die Performerinnen und Performer, die zum Teil auch beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch tanzen, arbeiteten sich im Odeon von ganz hinten in Slow Motion zur Bühnenvorderkante vor und zogen dabei immer wieder Requisiten aus ihren Mänteln, darunter Konfettikanonen, Spritzpistolen, alte Ringe, und hinterließen so etwas wie eine „Zivilisationsspur“. Berührt hat mich auch die Performance einer finnischen Choreografin, Tochter eines finnischen Vaters und einer philippinischen Mutter: Marika Peura schritt durch das Bühnenkarree mit einem finnischen Dolch am Gürtel und verwendete Slippers, die häufig von philippinischen Frauen getragen werden, quasi als Waffe für Drohgebärden gegen das Publikum. Das hat mich in der Angriffigkeit wirklich erschreckt. Sie ist eine Bühnenmacht!
Sie haben wieder alle Produktionen gesehen?
Mehr oder minder.
Sie sind also nicht müde, obwohl Sie bereits das 40-Jahr-Jubiläum gefeiert haben. Ist die Stiftung, die Ihr großes Ziel war, nun gegründet?
Ja, am 23. September konstituiert sich der Stiftungsvorstand unter dem Vorsitz von Jürgen Meindl mit Ex-Kulturminister Josef Ostermayer, Kathrin Kneissel und Eva Kohut. Er gründet in der Folge eine gemeinnützige Betriebs-GmbH, welche die Geschäfte der ImPulsTanz-Vereine übernimmt.
Und die Stiftung bestellt Sie zum Intendanten?
Das hoffen wir doch. In den Vorgesprächen wurde geklärt, dass sowohl meine Funktion wie auch jene von Gabriel Schmidinger, dem kaufmännischen Geschäftsführer, gesichert sind. Es wird also vorläufig keine Ausschreibung geben, vielleicht aber nach fünf Jahren. Denn wer weiß, was wir vorhaben?
Das heißt: Zum ersten Mal in Ihrem Leben haben Sie einen Fünf-Jahres-Vertrag?
Und bin zum ersten Mal richtig angestellt. Lang hat’s gedauert.
Die Finanzierung ist abgesichert?
Wir haben noch keine Subventionsverhandlungen für 2026 geführt. Denn diese werden auch Angelegenheit der Stiftung sein. Was ich bereits sagen kann: Wir hatten heuer außergewöhnlich hohe Karteneinnahmen in der Größenordnung von 2,5 Millionen Euro und werden diese Festivalausgabe daher auf jeden Fall positiv abschließen.
Andreas Babler, der neue Kulturminister, will eisern sparen. Sehen Sie dem Gespräch mit Sorge entgegen?
Die zuletzt getroffenen Subventionskürzungen – etwa bei den Bregenzer Festspielen – erzeugen nicht unbedingt positive Gefühle. Aber wenn man ImPulsTanz mit den anderen Institutionen vergleicht, wird man sehen, dass es bei uns weiterhin Nachholbedarf gibt.
Und wie sind die Signale aus der Stadt?
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler war heuer bei vier oder fünf Vorstellungen und zeigte sich wirklich interessiert. Sie unterstützt uns sehr!
Sie planen bereits für 2026?
Und auch schon 2027. Ich bin keck!
Können Sie was verraten?
Vielleicht ist eine Uraufführung von Tao Ye möglich, die Choreografie „18“, und diese in Kombination mit „15“, das ja vom Nederlands Dans Theater herausgebracht worden war und nun, da das Copyright ausläuft, von seinem TAO Dance Theater performt werden könnte. Ich fände es aber auch nicht uninteressant, das Nederlands Dans Theater wieder näher unter die Lupe zu nehmen. Und ich bin dabei, wieder etwas mit Anne Teresa De Keersmaeker zu entwickeln, die sich heuer in „BREL“ richtiggehend entäußert hat. Und Amala Dianor arbeitet an einer Choreografie mit klassischer Musik, also etwas gänzlich anderes als „DUB“. Das wäre, um eine andere Facette von ihm zu zeigen, auch eine Erwägung fürs 2026.
Wäre es nicht an der Zeit, eine Reinszenierung einer Johann-Kresnik-Choreografie in Auftrag zu geben?
Das wäre eine lohnende und spannende Aufgabe, würde aber das Budget eines Festivals, das in der Regel nicht selbst produziert, überfordern.
Jan Fabre bleibt nach den #MeToo-Vorwürfen in der Versenkung verschwunden?
Ein heikles Thema. Er hat seine Strafe abgebüßt, wird aber trotzdem derart geschnitten. Weil er es leider nicht als notwendig empfunden hat, sich zu entschuldigen. Mir tut es auch leid um die Mitglieder seiner Compagnie, die derzeit mit ihren eigenen Stücken nirgendwo auftreten können. Es wäre an der Zeit, Jan Fabre wieder auf den wichtigsten europäischen Bühnen zu präsentieren. Aber wir haben die gesamte Tanz-Szene von Europa zu Gast, da würden wohl einige nach zehn Minuten aufstehen und die Vorstellung torpedieren. Das könnte allerdings auch spannend sein. Wir werden sehen.
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