Im Original stinken die Ameisen

aus dem Filmplakat zu Die Schweizer Familie Robinson
Die Schweizer Robinson: Die Urfassung des Abenteuers ist voller Ecken und Kanten und Freude über tote Tiere.

Einem wilden Adler blase man Tabakrauch in den Schnabel, dann beruhigt er sich ... vielleicht.

Man kann ganz schön was lernen bei Johann David Wyss (1743–1818), Pfarrer der reformierten Kirche in Bern.

In seiner berühmten Robinsonade ist ebenso zu lesen, dass Ameisen stinken.

Ameisen sind ein hässliches, schädliches "Geschmeiß", das "allezeit einen klebrichten Saft ausschwitzt" und "Alles verderbt, zerfrisst und benagt".

Das war Stand der Wissenschaft um 1795.

Wyss war ein sehr gebildeter Mann seiner Zeit.

"Der Schweizerische Robinson" schrieb er in winziger Schrift für seine vier Buben auf. Allein zog er sie nach dem Tod seiner Frau groß. Die Erziehung nahm er sehr ernst.

Stachelhaube

Ans Veröffentlichen dachte Wyss nicht. Er wollte spielerisch Wissen vermitteln, nützliche Kenntnisse weitergeben. Die Beschreibung von 156 Tieren und 100 Pflanzen packte er in ein Abenteuer:

Vater, Mutter und vier Buben im Alter von sieben und 14 erleiden Schiffbruch. Auf einer Insel (in Neuguinea) machen sie sich die Natur untertan – so war das damals.

Schildkrötenpanzer sind gar feine Suppenschüssel, da wird sich die Mutter freuen. Die Stachel von Stachelschweinen sehen auf einer Haube gefährlich gut aus, aus der Haut einer Katze lässt sich ein Gürtel machen.

Vorher unbedingt das Fleisch entfernen!

Wyss’ Sohn Johann Rudolf – Oberbibliothekar in Bern – hat das Manuskript überarbeitet und ab 1812 in drei Bänden herausgegeben.

Ein Bestseller.

Nur in seiner Version kehren die Schweizer in die Zivilisation zurück.

Das war das Schicksal dieses Buchs: gekürzt, nacherzählt, für TV und Kino vereinfacht ... ohne Kanten – ohne stinkende Ameisen, ohne "Freudengeschrey", wenn die Kinder Tiere töten.

Die 2012 entdeckte Urschrift (inkl. Zeichnungen vom zweitjüngsten Sohn) bietet mehr Vergnügen als die ausgelutschte Geschichte. Seit wenigen Tagen ist sie im Handel.

Herr Vater, was sind denn das für Punkterln in der Feigenfrucht? Sie bewegen sich! – Cochenille sind das, mein Sohn. Schildläuse. Daraus machen wir rote Farbe.

Herr Vater, wie trennt man Männchen und Weibchen? Nur aus Weibchen wird Karminsäure gewonnen ...

Klugsch ...

Johann David Wyss:
„Der Schweizerische Robinson“
Die Andere Bibliothek.
1176 Seiten. 70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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