Im Dreimäderlhaus der großen Emotionen

Im Dreimäderlhaus der großen Emotionen
Tolstojs „Anna Karenina“ in Armin Petras’ Dramatisierung (österreichische Erstaufführung) im Volkstheater.

 „Anna Karenina“ hat Zugkraft. Anders sind ein Dutzend Roman-Verfilmungen seit Greta Gabo nicht zu erklären. Und die brandneue von Joe Wright nach einem Drehbuch von Tom Stoppard mit Keira Knightley und Jude Law wurde sogar in einem Theater gedreht. Aber warum nur musste sich Armin Petras, der offenbar bloß eine Geschichte über eine Frau zwischen zwei Männern, einem Draufgänger und einem staatsdienenden Langweiler erzählt, an Tolstoj vergreifen?

Er skelettiert den Tausend-Seiten-Wälzer, in dem eine Größe der Krisen und eine Tiefe der Figuren zu entdecken ist, und zeigt statt der altmodischen Tragödie einer Ehebrecherin das Dilemma des modernen Individuums, das sich frei für sein Glück entscheiden will und dabei sein Unglück verschuldet.

Aber das Stück in Hyun Chus grellroter Bühne ist enttäuschend. Es wird viel monologisiert, also Handlung berichtet. Und immer wenn die Darsteller direkt ins Publikum sprechen, ist der Text, weil großteils Original-Tolstoj, deutlich besser. Und die Figuren? Karikaturen. Regisseur Stephan Müller lässt sie in ihrer Verkorkstheit in überhöhter Künstlichkeit agieren.

Martina Stilp in der Titelrolle überzeugt mit ihrem überschaubaren Gesten-Repertoire bei ihrem Wien-Debüt nicht. Ihr Liebhaber Roman Schmelzer als Wronski ist mehr ein gelackter Gigolo als der Traum aller Frauen. Michael Wenningers Karenin gerät zur Witzfigur. Hanna Binder als Kitty scheint dem Kindertheater entsprungen.

Till Firit als wundersamer Einfaltspinsel Lewin kriegt am Ende den größten Applaus. „Liebe ist ...“ Was uns zwischen den Fingern zerrinnt. Was oft zur Soap Opera verkommt. Und wer’s weiß, leidet fürchterlich darunter.

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