Im Clinch mit der Kreativität

Naked Lunch aus Kärnten mit Produzent Herwig Zamernik (links) und Sänger Oliver Welter (rechts).
Naked Lunch sind mit ihrem neuen Album auf Tour. Wir verlosen Karten.

Oliver Welter, Sänger und Texter von Naked Lunch, beschreibt den Schaffensprozess der Alternative-Band mit drastischen Worten: „Ich verlange schon von uns, dass wir die Hosen bis zum blanken Arsch runterlassen“, sagt er im KURIER-Interview. „Damit meine ich, dass wir etwas aus dem tiefsten Inneren schöpfen, und genau dorthin gehen, wo es richtig weh tut.“

Einmal mehr hat die vor mehr als 20 Jahren gegründete Kärntner Institution das mit dem neuen Album „All Is Fever“ geschafft. Und sich dabei einmal mehr fast aufgerieben: „Die Höhen und Tiefen gingen dabei von Sich-in-den-Armen-Liegen bis Bandauflösung“, sagt Soundtüftler Herwig „Fuzzman“ Zamernik, der in Klagenfurt das renommierte „Fuzzroom“-Studio betreibt. „Das liegt einerseits daran, dass wir sehr viel Sachen sehr unterschiedlich sehen. Und andererseits auch daran, dass es mit der Kreativität einfach so ist, dass es manchmal ganz leicht geht, und man dann aber wieder Wochen und Monate an etwas herumkiefelt.“

Das sieht Welter – eine Ausnahme bei dem Interview – genauso. Und drückt es wieder drastisch aus: „Das ist halt eine Drecks-Hure, diese Kreativität. Keiner weiß genau, wie sie funktioniert.“

Hybrid

Aber offensichtlich brauchen Naked Lunch gar nicht zu wissen, wie Kreativität funktioniert, denn sie funktioniert hörbar auch unbewusst. Mit „All Is Fever“ haben sie ein packendes Album abgeliefert, das sofort unter die Haut geht. Zamernik hat dafür „mit dem Herausheben der Nebengeräusche der Gitarren und dem Verweben verschiedener Sounds eine für die Band neue Rhythmik fernab des klassischen Schlagzeugs“ gefunden. Und Welter in den Texten ein Hybrid aus den letzten beiden Alben geschaffen: „Bei ,Songs For The Exhausted‘ von 2004 ging es mir sowohl finanziell als auch emotionell und karrieretechnisch sehr schlecht. Bei ,This Atom Heart Of Ours‘ von 2007 war dann das Gegenteil der Fall, da gab’s die totale Euphorie. Und ,All Is Fever‘ ist eine Mischung aus diesen beiden Polen.“

Dass es sechs Jahre gedauert hat, bis Naked Lunch wieder ein neues Studio-Album gemacht haben, liegt aber nicht nur an dem schwierigen Schaffensprozess, sondern auch an diversen Nebenprojekten: Zamernik veröffentlichte ein Solo-Album. Gemeinsam mit Regisseur Bernd Liepold-Mosser erarbeitete die Band die Musik für die Inszenierung von Franz KafkasAmerika“ am Klagenfurter Stadttheater. Außerdem schrieb das Quartett den Soundtrack zum Film „Universalove“.

Welter glaubt aber nicht, dass all diese Nebenprojekte irgendeinen Einfluss auf „All Is Fever“ gehabt haben: „Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe“, sagt er, ortet den Haupteinfluss für die Texte in der Unsicherheit der Zeit.

„Der Titel ,All Is Fever‘ spielt auf die Situation der Gesellschaft an, weil sich viele Systeme gleichzeitig totgelaufen haben. Etwas Ähnliches gab es schon in den 20er- Jahren und hat zu einem großen Krieg geführt. Ich will ja nichts Schlimmes prognostizieren. Aber sicher ist, dass es große gesellschaftliche Umwälzungen geben wird. Die müssen nicht als Gewalt-Akt kommen, die können in vielerlei Form passieren.“

Trotzdem geht Welter bei den Texten immer von seiner Person aus, beschreibt, warum er sich von der Krise nicht die Schneid abkaufen lässt. Und ganz oft beschwört er das Weitermachen in einem Katastrophen-Szenario: „Das war immer schon ein Credo unserer Band: Irgendwie geht es immer weiter!“

Im Clinch mit der Kreativität

Wieder einmal ist Naked Lunch ein Album gelungen, das den Hörer sofort in den Bann zieht. Zamernik hat ein goldenes Händchen dafür, die Sounds von so gewöhnlichen Instrumenten wie Keyboards und Gitarren ungewöhnlich zu gestalten – ohne sich als der große Experimentierer hervorzutun. Was aber noch mehr besticht sind die Songs, die schönen Melodien und die Geschichten zwischen Aussichtslosigkeit und Hoffnung, die Welter erzählt.

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