"Von mir ist nicht mehr viel übrig"
Der Mann ist eine Legende, obwohl er in seiner Heimat, den USA, fast unbekannt ist: Iggy Pop war beim Urknall dabei, als Punk und Rock entstanden. Beziehungsweise er hat selber ordentlich mitgeknallt.
Mittlerweile 66, ist er weder leise noch versöhnlich geworden. Am Freitag schaut er im Rahmen seiner Tournee in der Wiener Arena vorbei. Eine der besten Zeiten seiner Karriere war in den 1970ern in Berlin, von wo aus er jetzt dem KURIER ein Telefoninterview gab.
KURIER: Ist Berlin für Sie noch ein Ort der Nostalgie?
Iggy Pop: Das kommt drauf an, in welchem Teil ich bin. Derzeit bin ich im Zentrum, das völlig von geschmacklosen Deutschen verschandelt wurde. Das ist echt Scheiße, Mann. (lacht) Aber angekommen bin ich am Flughafen Tegel. Und das ist mittlerweile der einzige große Flughafen der Welt, der auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten ist – und nicht auf jene der Shopbesitzer.
Auf Ihrem neuen Album „Ready To Die“ gehen Sie mit den USA ja hart ins Gericht. Haben Sie überlegt, wieder nach Europa zu ziehen?
Ja, darüber denke ich schon nach. Aber Miami, wo ich wohne, ist eine Zwischenzone – das ist nicht wirklich so wie die USA. Jedoch auch das wird derzeit ruiniert, von geschmacklosen Brasilianern. Überall nur geschmacklose Menschen! (lacht) Die Südamerikaner bringen all das Geld mit, das sie ihren Regierungen oder ihren jeweiligen Gesellschaften gestohlen haben. Und dann machen sie sich Sorgen, erwischt zu werden, und investieren alles in Miami.
Florida klingt für europäische Ohren eher nach Disney World und den „Golden Girls“. Man kann sich schwer vorstellen, dass Sie da hinpassen.
Ja, ich weiß. Aber Miami ist noch sehr entspannt. Das Leben in Europa ist sehr strukturiert, man muss Regeln beachten: So lange man aber den Mund hält und den Frühstücks-Espresso vor elf Uhr trinkt, kann man machen, was man will.
Und man muss die Vorhänge hochziehen, sonst sorgt sich der Nachbar.
Genauso ist es. Ich liebe Europa. (lacht) Miami ist anders. Ich bin hingezogen, als es noch ein ruinierter Ort war. Madonna kam hin und wieder vorbei, um einen Skandal zu fabrizieren, Prince hatte noch ein Haus dort, es war eine komische Gegend. Aber jetzt sind viele eigenartige Typen mit Geld da. Deshalb lebe ich jetzt einer netten Familiengegend etwas außerhalb.
Iggy Pop: Sport, Sex & keine Drogen
Und Sie sind Frühaufsteher, gehen Golf spielen – das hätte man sich einst nie vorstellen können.
Ja, das ist mir scheißegal.(lacht)
Aber die Entwicklungen in den USA sind Ihnen nicht egal. Was halten Sie denn von der Spionageaffäre rund um die NSA und Edward Snowden?
Es gibt einen gewaltigen Trend zur Privatisierung von Staatsgewalt. Einerseits die Mietarmeen. Und andererseits ist auch das Eindringen in die Privatsphäre eine Form von Gewalt. Aber: Ich habe Berichte über Julian Assange gesehen. Ich kann nicht anders als zu denken, Gott, was für ein Depp.
Also kein klares Gut oder Böse?
Die Menschen auf beiden Seiten dieser Meinungskriege ähneln einander. Es gibt dieses wunderbare Buch von V. S. Naipaul, „Eine islamische Reise“. Als ich das in den 1980ern gelesen habe, dachte ich mir: Mein Gott, die werden einen fundamentalistischen Aufstand erleben. Und das wird eine ebenso starke Reaktion in den USA hervorrufen. Ein Haufen dummer Kreaturen wird sagen: „Wir müssen unsere christlichen Krieger zusammenrufen.“
Und daraus entstanden diese unrühmlichen Mietarmeen?
Zur Zeit von „Zombie Birdhouse“ (Album aus 1982, Anm.) war ich sehr arm. Ich lebte in einer Arbeitergegend in Brooklyn, und plötzlich waren an all den Kiosken diese Soldatenmagazine zu finden, das beliebteste hieß „Soldier of Fortune“. Darin wurde suggeriert: Magazine wie „Men’s Health“ sind für die kleinen Typen, die ihre Augenbrauen zupfen, Gel in die Harre schmieren, damit sie in der großen Stadt Sex und einen Job hinter einem Computer haben. „Soldier of Fortune“ ist für den mittelalten Mann, der zu dumm ist für die New Economy, und der gar keinen Sex kriegt. Also sucht er sich eine Kanone und stampft in einem armen Land herum.
Wird sich das zum Besseren ändern?
Ich denke, das wird nicht leicht. Man muss sich nur die andere Seite anschauen, dort ist auch nicht alles rosig. Aber ich glaube, ja, einige Menschen könnten sagen: Wir gehen in eine falsche Richtung, können wir bitte innehalten? Auch in Hinblick auf die Technologie. Ich versuche, sie zu ignorieren. Ich habe einen Computer, den ich in seiner Schachtel lasse und den ich zwei Mal im Monat besuche. Ich habe einen Assistenten, mit dem ich meinen eMail-Verkehr mündlich abwickle. Sonst könnte ich vielleicht mitten in der Nacht aufstehen und den falschen Leuten schreiben, dass sie sich verpissen sollen.
Stimmt! Ich bin nicht anders. Aber ich kenne mich mit Computern aus, das muss man heutzutage. Und ich habe ein paar Aktien von Apple und Facebook.
Gratulation, die Facebook-Aktie zieht ja derzeit wieder kräftig an.
Danke! Als ich sie kaufte, rasselten die Aktien gleich in den Keller.
Apropos: Sie haben angekündigt, künftig weniger Stagediving betreiben zu wollen. Warum?
Weil von mir fast nichts mehr übrig ist! (lacht) Und weil die Abstände von der Bühne zum Publikum immer größer werden. Aber ich habe nicht damit aufgehört.
Denken Sie manchmal ans Aufhören?
Absolut. Bald! Nach diesem Jahr sollte ich für ein paar Jahre aufs Trockendock. Das ist weise, alle Menschen, die überleben, machen das.
Iggy Pop: Wien-Konzert mit den Stooges
Karriere James Newell Osterberg Jr. (Jahrgang 1947) wurde als Iggy Pop zur Punklegende. Er ist insbesondere für seine Bühnenshows bekannt, die keinerlei Rücksicht auf die eigene Gesundheit nehmen. 1968 bis 1975 legte er mit den Stooges das Fundament für den Punk, 1976 bis 1978 war er mit David Bowie in Berlin, ein Höhepunkt seiner Karriere. Bowie koproduzierte die Alben „The Idiot“ and „Lust for Life“. Pop spielte auch in mehreren Filmen.
Die Stooges Iggy Pops Kultband hat sich im Jahr 2003 wieder zusammengefunden und seither gemeinsam mehrere Alben aufgenommen, zuletzt „Ready To Die“. 2010 wurde die Band in die Hall Of Fame aufgenommen.
Wien-Konzert Am Freitag (9. August, 20 Uhr) in der Wiener Arena. Karten (ab 73,90 Euro) gibt es noch bei der Arena und bei den großen Ticketplattformen.
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