"I am from Austria": Fendrich distanziert sich von Rechten
Herr Fendrich, 40 Jahre Bühnenjubiläum - welche Gedanken gehen Ihnen da durch den Kopf?
Rainhard Fendrich: Die Zeit läuft schneller als man denkt. Vor 40 Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, so lange und so erfolgreich diesen Beruf ausüben zu können. Ende der Siebziger wusste ich nicht so recht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich habe mein Jusstudium abgebrochen und jobbte planlos vor mich hin. Ich war froh, am Monatsende meine Miete bezahlen zu können. Da kam ich durch einen glücklichen Zufall zum Theater und spürte sofort, dass die Bühne meine Welt bedeuten würde. Ich spielte in verschiedenen Musicals und Theaterstücken kleinere Rollen und begann Lieder zu schreiben, die ich gerne im Freundeskreis vortrug. Eines Tages hörte mich ein Musikmanager und verschaffte mir einen Plattenvertrag.
Ab wann haben Sie davon geträumt, auf der Bühne zu stehen?
Ich habe schon als Kind gerne gesungen, weil ich eine glockenhelle Stimme hatte und wollte zu den Wiener Sängerknaben. Meine Mutter war aber dagegen, weil die Sängerknaben soviel reisen und ich selten zu Hause gewesen wäre. Den Anstoß, Lieder zu schreiben, gab mir eigentlich Reinhard Mey, dessen Lieder mich von Anfang an begeisterten.
Können Sie sich an Ihren allerersten Auftritt erinnern?
Mein allererster Auftritt war in einem Boxring in einer Sportarena anlässlich eines Liedermacher-Festivals. Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Ich weiß nur, dass ich wahnsinnig nervös war und meine Finger so geschwitzt haben, dass ich dauernd von den Gitarrensaiten abgerutscht bin. Es muss für die Zuhörer schrecklich gewesen sein.
Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an diese 40 Jahre auf der Bühne?
Die schönste Erinnerung ist die Wiener-Festwochen-Eröffnung Anfang der Neunziger, wo ich mit den Wiener Symphonikern und dem Schönbergchor unter der Leitung von Christian Kolonovits als erster Popkünstler auftreten durfte.
Gab es Auftritte, an die Sie weniger gerne zurückdenken?
Natürlich passieren im Laufe einer Karriere auch Pannen. Die meisten sind für den Künstler natürlich nicht lustig. Einmal schlug während eines Open Airs der Blitz in unser Stromaggregat ein. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt Gott sei Dank keine Gitarre in der Hand. Ein anderes Mal riss mir während des Konzerts die Hose. Das war weniger gefährlich, nur furchtbar peinlich.
Haben sich Lieder für Sie über die Jahre verändert?
Man schreibt natürlich mit 25 über andere Themen als mit 65. Meine alten Songs sind wie Bilder in einem Fotoalbum, die aus einer anderen Zeit stammen. Ich singe sie aber heute genauso gerne wie damals, allein schon deshalb, weil das Publikum sie hören will. Manche natürlich mit einem Augenzwinkern.
Gibt es Songs, die Sie nicht mehr singen wollen?
Nein. Es gibt aber welche, die ich nicht mehr singen kann, weil der Gegenwartsbezug fehlt - wie zum Beispiel ein Lied über die Fernsehserie „Dallas“ („WASDWASWAWANNIDATSCHEAWA“) oder über die Spielshow „Tutti Frutti“ („Tutti Frutti Mutti“). Da würde heute kaum noch mehr jemand verstehen, worum es da geht.
Sie haben auch als Schauspieler und Moderator gearbeitet. Ist Sänger/Musiker am Ende Ihre liebste Berufung geworden/geblieben?
Ich habe vieles ausprobiert und Angebote angenommen, oft nur aus reiner Neugier. Letztendlich bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass Musiker der Beruf ist, der mich am meisten ausfüllt.
Wie sehen Sie Ihre Entwicklung als Performer?
Das kann ich nicht sagen, eher mein Publikum. Ich denke, dass ich in den letzten Jahrzehnten viel dazugelernt habe und jetzt auf alle Fälle die besseren Konzerte gebe als früher.
Hat sich Ihr Publikum verändert - auch in Hinblick auf Ihr sozialpolitisches Engagement?
Mein soziales Engagement war eigentlich schon immer da - zum Beispiel „Lebenshilfe für Obdachlose Senioren in Wien“. In den Achtzigern wollte man aber lieber meine „Gassenhauer“ hören. Mein Publikum ist wie ich auch reifer geworden und wenn man so will mit mir mitgewachsen. Es freut mich aber ganz besonders, in meinen Konzerten auch ganz junge Besucher zu haben, die, als ich manche Lieder schrieb, noch gar nicht auf der Welt waren.
Wie hat sich der Künstler Fendrich mit dem Mensch Fendrich über die Jahre verändert?
Jeder Mensch verändert sich im Laufe eines Lebens. Der Künstler ist reifer geworden. Wie sich der Mensch verändert hat, müssen die anderen beurteilen.
Was darf sich der Besucher der aktuellen Tournee erwarten?
Ich spiele meine erfolgreichsten Lieder und natürlich auch auszugsweise mein neues Album „Starkregen“. Ich denke das Publikum erwartet eine unterhaltsame Mischung.
Im Social-Media-Zeitalter, in dem Trends kommen und gehen, scheint Rainhard Fendrich eine publikumswirksame Marke zu bleiben. Woran liegt das?
Ich weiß nicht, ob ich eine „Marke“ bin, aber ich habe die Arbeit auf der Bühne immer sehr ernst genommen und mit großem Respekt vor meinem Publikum. Erfolg besteht aus zehn Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration.
„I Am From Austria“ - sagen Sie das 2020 mit mehr Überzeugung als 2019?
Diese Frage vollständig zu beantworten, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Ich sang und singe dieses Lied nach wie vor mit der gleichen Überzeugung, weil ich weiß, wie es gemeint ist. Dass andere eine Hymne daraus gemacht haben, konnte ich nicht beeinflussen. Auch konnte ich nicht verhindern, dass „rechte Strömungen“ dieses Lied vereinnahmt haben. Davon distanziere ich mich entschieden. Man kann seine Heimat auch lieben, ohne andere auszugrenzen.
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