Hanns Koren ließ als weltoffener, wenngleich der Heimat verbundener Kulturpolitiker alles zu. Und er setzte sich mit der modernen Kunst auseinander. Er war daher auch bei den Aufmüpfigen im Forum Stadtpark hoch geachtet. Doch diese Facetten blendet der Steirische Herbst geflissentlich aus: In der zentralen Ausstellung „Horror Patriae“ – so lautet auch das Motto des diesjährigen Festivals – wird ein einseitiges Bild vom Gründungsvater gezeichnet, der immer mit Steirerhut und Wetterfleck unterwegs war.
Man erzählt also, dass Koren im Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 1959 einen urtümlichen Festumzug veranstalten ließ. Oder dass er eine Wirtin animierte, den Heimatdichter Hans Kloepfer zu lesen, der ein glühender Nazi war.
Vielleicht muss man sich an den Vätern reiben – daher auch an Erzherzog Johann, der das Landesmuseum gründete. Prinzipiell will sich die Ausstellung „mit der dunkleren Seite des Patriotismus in all seinen Formen“ auseinandersetzen – „und das auf der ganzen Welt“. Es gibt daher einige Beiträge, die sich z. B. mit den Auswirkungen der Kriege (etwa in der Ukraine und in Nahost) beschäftigen.
Und doch hat Intendantin Ekaterina Degot mit ihrem Team in der Neuen Galerie des Joanneums ein Heimatmuseum eingerichtet – der gespenstischen Art allerdings: Es gibt die „Abteilung für gemäßigten Größenwahn“ (mit einer Landkarte der Steiermark als Kopf des Kriegsgottes Mars aus 1681), das „Kabinett der Gipfel und Hügel“ (Adolf Hitler zu Ehren mit einem idyllischen Blick auf Berchtesgaden aus 1869) und die „Sektion der braunen Flaggen“: Sonderbarerweise ohne das Punschkrapferl (außen rosa, innen braun), aber mit dem Porträt eines Wehrmacht-Soldaten. Der Künstler, Franz Wohlfahrt, wollte es angeblich nach 1945 verkaufen – und übermalte die Uniform mit einer blauen Jacke ...
Bloßfüßige Slawin
Natürlich wird das betont Patriotische kontrastiert, etwa mit Arbeiten von Valie Export und Renate Bertlmann. Und man geht äußerst kritisch mit dem steirischen Volkskundler Viktor Geramb um (was das Volkskundemuseum des Joanneums unter neuer Leitung bereits tut): Aus dem schwer verdaulichen, nun kontextualisierten Trachtensaal borgte man sich – wie absehbar! – die Figur der „Slawin in Urtracht“ aus: Im Gegensatz zu den vielen steirischen Frauen und Männern ist sie bloßfüßig ...
Das Fette, an dem Peter Handke würgte (also Österreich), taucht, wiewohl eine Horrorvorstellung, nicht auf; man zeigt aber Fotos der heimattümelnden Welt von Thomas Bernhard in Ohlsdorf. Insgesamt fühlt man sich ein bisschen an den zweiten Teil von Gerold Späths grandiosem Roman „Commedia“ erinnert, in dem ein Kustos seine Besucher durch diverse Räume mit absonderlichen Objekten führt – bis ins Verlies. Die Schau im Joanneum hingegen ist als Achterschleife angelegt. Ohne Ende.
Am Samstag gab es in Graz auch ein halbstündiges Requiem auf die zerstörte Natur von Clara Ianni („Resurrection“) samt Trauerumzug vom Mausoleum in den Stadtpark. Und Yoshinori Niwa, ein in Wien lebender Japaner, rubbelte zusammen mit einem Assistenten weiter an seinen beiden blitzblauen FPÖ-Verarsche-Plakate. Möge sich der billige Aufreger alsbald völlig aufgelöst haben.
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