Ist Hollywood in Angst vor Trump?

© PIXARLaurie hat personifizierte Selbstzweifel im Genick sitzen, gegen die auch beten nichts hilft: Serie "Win or Lose" auf Disney+
Donald Trump verachtet Diversität. Wenn eine explizit christliche Figur in einer Disneyserie auftaucht, ist das dann schon ein Kniefall vor dem Anti-Wokeness-Präsident?
„Lieber Gott, bitte gib mir Kraft. Ich versuche ja, an mich zu glauben, aber manchmal zweifel ich trotzdem an mir. Und diese eine Sache mach ich nie wieder! Ich weiß zwar nicht mal, wie du dazu stehst, aber ich mach's nie mehr. Lass mich einfach einmal den Ball fangen oder einen Hit schaffen. Für mein Team, versteht sich.“ Das sagt Laurie, eine der Hauptfiguren der Disney+-Serie „Win or Lose“, kurz vor ihrem Einsatz im entscheidenden Softball-Match. Es ist ein Gebet, denn Laurie hat furchtbare Angst vor dem Versagen. Zu Recht, übrigens.
Die Sequenz mag unter normalen Umständen nicht besonders auffallen. In den USA unter Donald Trump führt so etwas schon zu einer Kontroverse. Das zeigte nicht zuletzt die aufgeregte Debatte um ein „zu wokes“ „Schneewittchen“-Remake, in dem sich die einen an zu wenig schneeweißer Haut stießen, andere an einem „unmännlichen“ Prinz. Mittlerweile finden Menschen, die keine Diversität in ihren Unterhaltungsprodukten vorfinden wollen, Hilfe im Netz. Etwa auf Webseiten wie „notwokeshows.com“.
Diese Atmosphäre verunsichert und so ließen Schlagzeilen wie „Disneys erste explizit christliche Hauptfigur“ nun vermuten, dass Laurie aus „Win or Lose“ ihr ganzes Softball-Team inklusive Seherschaft erst zur Beichte schicken will und am Ende ein Passionsspiel am Programm steht statt Mannschaftssport. Mitnichten, das kleine Gebet ist die einzige „explizit“ christliche Handlung der Figur. Warum regt das manche auf?
Man muss es in einen größeren Zusammenhang stellen. Denn noch bevor Laurie ihr Gebet sprechen konnte, wurde bekannt, dass Disney eine Trans-Figur aus der Serie „entfernt“ hat. Nun ist das auch wieder nur die halbe Wahrheit: Es wurden jene (wenigen) Sätze, die sich „explizit“ auf die Transidentität beziehen, gestrichen. Oberflächlich besehen war für manche die Schlussfolgerung klar, dass hier ein Kniefall vor der Trump-Administration gemacht wurde: Divers raus, konservativ rein.
Vorauseilender Gehorsam?
Ähnlich viral ging eine Szene aus der dritten Staffel der Serie „White Lotus“ vergangene Woche: Auch da „outete“ sich eine Freundin in einer Damenrunde als regelmäßige Kirchgängerin und in weiterer Folge auch als Trump-Wählerin. Schnell stellte sich auch hier die Frage: Ist es vorauseilender Gehorsam? Oder ist es vielleicht doch nur einfach das Abbilden der US-Gesellschaft, wie es sie nun einmal auch gibt?
Man muss all dies in einem noch größeren Zusammenhang sehen, um die Nervosität, die hinter diesen Reaktionen auf simple Serienfiguren steckt, zu verstehen. Und das hat mit der Abkürzung DEI zu tun. Lateinkenner werden da auch den Gottesbezug suchen, tatsächlich stehen die Buchstaben aber für „Diversity, Equity, Inclusion“. Und sie stehen ziemlich weit oben auf der Abschussliste des amtierenden US-Präsidenten. Mit seiner Filzstiftunterschrift hat er Gleichberechtigungs- und Antidiskriminierungsprogramme wenige Tage nach seiner Angelobung abgeschafft.
Für Beobachter hat es nun den Eindruck, dass sich Hollywood auf diese Vorzeichen einstellt. Vor fünf Jahren schrieben sich - im Zuge der Black Lives Matter Bewegung - viele Filmstudios das Erreichen von mehr Vielfalt sowohl beim Personal als auch bei den Inhalten auf die Fahnen. Die Amazon Studios hatten den Grundsatz, in jeder Serie oder jedem Film einen Schauspieler, eine Schauspielerin zu besetzen, die entweder schwarz, asiatisch, Latino, indigen oder aus dem Nahen Osten war. Davon haben sie sich still und leise verabschiedet. Paramount hat sich angeschlossen, Warner hat heuer plötzlich keinen Report über Erfolge in dieser Angelegenheit gemacht.
Mit einzigartiger Perspektive
Die Fokussierung auf Trumpsche Dekrete freilich lässt übersehen, dass viele dieser hehren Vorhaben schon zuvor nicht rund gelaufen sind und für rechtliche Schwierigkeiten gesorgt haben. Der Supreme Court entschied etwa, dass „race“ aus Diskriminierungsgründen nicht als Ausschlusskriterium gelten darf - für alle. Nun werden Ausschreibungen anders formuliert, etwa mit den Begriffen „unterrepräsentiert“ und „mit einzigartiger Perspektive“. Mit dieser Methode könnte man auch unter dem Radar der Trumpschen Anti-Wokeness-Kampagne bleiben. Denn allen ist klar, so eine ehemalige Disney-Managerin: Eigentlich sollte man als privates Unternehmen, das nicht der Regierung untersteht, nichts zu befürchten haben. „Aber allen ist bewusst, dass dies eine rachsüchtige Administration ist.“
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