Holladjö aus Pjöngjang: Die Band Laibach in Graz
„Heimat Kunst Radikal“ ist am T-Shirt einer Besucherin der Eröffnungsperformance des steirischen herbsts zu lesen. Die neue Festival-Intendantin Ekaterina Degot will heuer unter dem Titel „Volksfronten“ das Volkstümelnde an der Nase packen und die Folklore aus der Hand des Faschismus reißen (bis 14.10.).
Aber ist ihr Programm selbst schon politisch vereinnahmt worden? Am Grazer Schlossberg schallt am Donnerstagabend die Botschaft durch die Lautsprecher, dass Österreich nunmehr von einer „schwarzbraunen Koalition“ und einem „Kanzler mit dem Gesicht eines sanften Apostels“ regiert werde; die Zensur sei „in alle Poren der Gesellschaft eingedrungen“. Der Intendantin sei also gar nichts anderes übrig geblieben, als die Band Laibach, die bereits Jörg Haider „sehr geschätzt“ habe, zur Eröffnung einzuladen. Das sei „Fakt“. „Fiktion“ dagegen sei: „Nichts oder nur sehr wenig von alledem ist wahr“.
Die Slowenen, die seit 1980 Totalitarismus aller Art virtuos zur Kenntlichkeit verzerren, sind ein perfekter Partner für Degots Ideen. Dass das Programm, für das sich Laibach das Musical „The Sound of Music“ vornahmen, vom steirischen herbst „in Auftrag gegeben“ worden sei, war aber im Info-Folder irreführend vermerkt: Bereits 2015, als Laibach als erste westliche Band zu einem Konzert in Pjöngjang/Nordkorea geladen waren, hatte die Gruppe Klassiker wie „Edelweiss“ und „Do Re Mi“ zum Besten gegeben.
Die doppelte Botschaft des Films von 1965, in dem die Familie Trapp nach außen dem Druck der Nazis widersteht und die Freiheit feiert, nach innen aber ein höchst konservatives Wertbild voller Heimatliebe und Reinheitsideologie hochhält, findet in der Laibach-Perspektive im abgeschotteten Nordkorea ebenso Resonanz wie in jenen europäischen Staaten, die sich gegenwärtig in neue Nationalismen flüchten.
Jodeln und Grunzen
Die Bearbeitung des Musicals folgt dabei einem konstanten – und bald vorhersehbaren – Muster: Auf der Kasematten-Bühne, die auch wegen ihrer Ähnlichkeit zur Salzburger Felsenreitschule als Konzertort gewählt wurde, eröffnet ein Streichersextett (Leitung und Arrangements: Primož Hladnik) jeden Song, wobei melodische Motive und Textzeilen der Kompositionen von Rodgers & Hammerstein gleichsam unter der Lupe seziert werden. Dann setzt die Band mit Rock-Energie ein, Leader Milan Fras sprechsingt die selektierten Textzeilen mit Grunzbassstimme, Gastvokalistin Marina Mårtensson und der Sänger Boris Benko sowie ein Kinderchor bilden den Schönklang-Kontrast.
Beim „Lonely Goatherd“-Jodler flimmern dazu nordkoreanische Propagandabilder über die Rückwand, bei „Climb Every Mountain“ klettern abwechselnd Ameisen und Trachten-Kinder umher. Nur bei „My Favourite Things“ ist Laibach wenig eingefallen, da segelt ein Apfelstrudel über die Bildfläche.
Die Kenntnis der Originalmelodien, Texte und Bilder des Musicals, die außerhalb Österreichs stets viel wirkmächtiger waren als im Land selbst, ist bei Laibach hilfreich, aber nicht zwingend: Der Subtext der Trapp-Saga wird auch so offensichtlich. Die Songs werden im November als Album erscheinen. In einem Werbetext dazu heißt es, man könne zu der Musik gleichermaßen „denken, tanzen und marschieren“. Wobei Denken grundsätzlich nie schadet.
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