Hörbuch einer Zeitzeugin

Hörbuch einer Zeitzeugin
Die Wienerin Käthe Sasso erzählt ihre Jugend im Widerstand und im Konzentrationslager auf drei CDs. Bis zu ihrer Begrüßung in der Heimat.

Und dann? Dann, nachdem ihr im April 1945 auf dem Todesmarsch vom KZ Ravensbrück zum KZ Bergen-Belsen mit ihrer Freundin die Flucht vor der SS gelungen war und beide einige Tage nach Kriegsende Wien erreicht hatten ..., dann setzten sich die 19-Jährigen völlig erschöpft in die Straßenbahn.

"Das werd’ ich nie vergessen im Leben. Die Schaffnerin ist gekommen, wir haben gesagt, dass wir aus dem KZ kommen und uns keine Fahrscheine kaufen können. Die ganze Tramway war voller Leute, niemand hat ein Ohrwaschl gerührt. Die Schaffnerin hat die Straßenbahn angehalten und uns gezwungen, auszusteigen. Das war die Begrüßung in der Heimat."

Käthe Sasso ist 86. Unermüdlich geht sie in die Schulen, erzählt und antwortet. "Wie war das Essen im KZ?" ist die vielleicht am häufigsten gestellte Frage. "Wir hatten gelbe Rüben als Hauptnahrung. Brot und vier, fünf Mal süße Suppe."

Die einstige Widerstandskämpferin hat Hilfe bekommen: von ihrem eigenen Hörbuch mit dem Titel, das ihr Leben bestimmt, "Nicht nur in Worten, auch in der Tat" (erschienen im Berliner Label supposé). Die Regisseure Klaus Sander und Evelyn Steinthaler machten das einzig Richtige: Sie ließen Käthe Sasso einfach reden. Drei Stunden.

Klopfen

Hörbuch einer Zeitzeugin

Über ihre Jugend: Mutter Sozialdemokratin, aber tot (Krebs), Vater Sozialdemokrat, aber zur Wehrmacht eingezogen worden. "Ich wusste schon als Kind, was Unrecht ist." Als 15-Jährige sammelte sie in der Widerstandsgruppe "Gustav Adolf Neustadl" Lebensmittel für die Witwen Hingerichteter und verteilte Flugblätter. 1942 Verhaftung.

Zelle Nr. 92 in der Rossauerkaserne. Zelle Nr. 135 im Landesgericht. Der Galgen im Hof; die Gestapo, die sie mehrmals holt; ein Polizist, der ihr überraschend zeigt, wie man durch Klopfzeichen mit anderen kommuniziert. Ein Mal klopfen = A, 26-mal = Z, "ich hatte keine Fingernägel mehr".

Experimente

Der Todesstrafe wegen "Hochverrats" entging Käthe Sasso im Prozess kurz nach ihrem 18. Geburtstag nur aufgrund ihres Alters.

In Ravensbrück – dem größten Lager für weibliche KZ-Häftlinge – sah sie, wie an den Gefangenen experimentiert wurde: Man schoss sie an und gab Benzin in die Wunden, Glassplitter, Gift. Es gibt auch Lichtblicke in der Finsternis, Freundschaften, ein Stück Brot, mit dem man nicht gerechnet hat. Auch darüber spricht sie. Nein, diese Kassette mit den drei CDs gehört nicht in die Schulen. Sie gehört in jedes einzelne Klassenzimmer.

Zur Person: Zur Freiheitsliebe erzogen

Hörbuch einer Zeitzeugin

Käthe Sasso wird 1926 in Wien geboren. Ihre Kindheit verbringt sie im Burgenland bei der Großmutter Majka (kroatisch für "Mutter"). Hier lernt sie auch, was das wichtigste Gut des Menschen ist – Freiheit. Ihre Eltern bekämpften das Regime im Untergrund. Als 15-Jährige tritt sie deren politisches Erbe an und wird verhaftet.

In Wien fand sie nach der Flucht den Vater wieder, heiratete, bekam drei Kinder und engagiert sich bis heute für die "Gruppe 40" des Wiener Zentralfriedhofs, wo die vom Volksgerichtshof hingerichteteten Widerstandskämpfer beigesetzt sind. 2011 wurde Käthe Sasso mit dem "Goldenen Verdienstzeichen" geehrt (Bild).

Kommentare