Hodler im Leopold Museum: Maler von Liebe und Tod

"Die Wahrheit, 1903" in der Ausstellung "Ferdinand Hodler - Wahlverwandtschaften von Klimt bis Schiele" im Leopold Museum in Wien.
"Ferdinand Hodler. Wahlverwandtschaften von Klimt bis Schiele" (bis 22. 1.) im Leopold Museum.

Er ist nicht mehr zu den Impressionisten zu zählen, auch noch nicht zu den Expressionisten, aber er ist einer der bedeutendsten Künstler der frühen Moderne.

Bekannt wurde Ferdinand Hodler (1853–1918) mit beeindruckenden Figurenkompositionen wie dem überlebensgroßen "Wilhelm Tell". Aber geschätzt haben die Schweizer Landsleute den in Bern geborenen Hodler nicht, der frustriert konstatierte: "Ich werde nicht in der Schweiz bleiben, es wäre nutzlos, meinen Weg im eigenen Land zu machen."

Tatsächlich machen ihm die Künstlerkollegen die Aufenthalte 1903 und 1904 "in Wien so angenehm, so köstlich wie nur irgendwie möglich", so Hodler, der sich seine Wohnung in Genf von Josef Hoffmann ausstatten ließ. "Auch die Sezession hat mir eine Fête gemacht. Kurz, ich werde ganz nobel behandelt, im eigenen Land ist ja keiner Prophet, sagt man."

Retrospektive

Das Leopold Museum widmet seinem Werk unter dem Titel "Wahlverwandtschaften von Klimt bis Schiele" eine Retrospektive. "Wir zeigen Gemälde aus allen Schaffensphasen, vom Früh- bis zum Spätwerk", so Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger.

Unter den rund 300 Exponaten: Selbstbildnisse, Porträts, Landschaftsbilder wie das mit Blick aus dem Fenster seiner Wohnung gemalte Motiv "Genfersee mit Mont Blanc am frühen Morgen" (1918), und immer wieder Frauen: Hodler malt sie tänzerisch und hingebungsvoll und vor allem – monumental.

Außerdem zu sehen: Persönliche Dokumente, Fotografien und ein Brief an den Journalisten Franz Servaes über das Kompositionsprinzip des "Parallelismus".

"Parallelismus" meint einen strengen Regeln unterworfenen Bildaufbau, die mit dem Maßband exekutierte, mathematisch präzise Anordnung von Form und Farbe. Hodlers Credo: "Das Herz ist mein Auge." Jedes Gefühl, der Seelenzustand des Menschen, ist mit einer spezifischen Geste verbunden. So malte er seine Modelle in Anlehnung an die Bewegungsgesetze des Ausdruckstanzes.

Er ist aber auch – wie Klimt und Schiele – ein Maler von Liebe und Tod. Berührend, wie Hodler Krankheit und Sterbeprozess seiner geliebten Lebensgefährtin Valentine Godé-Darel in Skizzen, Zeichnungen und Gemälden festgehalten hat. Seine leidenschaftliche, wenn auch krisenreiche Beziehung zu der Französin schlug sich seit 1908 zunächst in Jugendstil-Symbolbildern ("Linienherrlichkeit", "Fröhliches Weib") sowie Entwürfen für 50-Franken-Noten nieder.

Als aber die Gefährtin an Krebs erkrankte, hielt der Maler ihren Verfall bis zum Tod 1915, zeitweilig Tag für Tag, in einem überhöht-realistischen Bilderzyklus fest, wie ihn die Kunstgeschichte sonst nicht kennt.

Die Schau erinnert an Hodlers Durchbruch mit immerhin bereits 51 Jahren bei der XIX. Ausstellung der Wiener Secession 1904, als er mit 31 Arbeiten im Mittelpunkt steht und durch wichtige Sammler zudem einen großen Verkaufserfolg hat.

Charakteristisch für sein Spätwerk ist ein "freier Umgang mit Farbe, Form und Fläche", so Wipplinger.

Themeninseln unterbrechen immer wieder die großteils chronologisch strukturierte Schau und stellen Querbezüge zur Wiener Avantgarde her. So werden Schieles Frauenfiguren Akten Hodlers gegenübergestellt. Und die "Gartenlandschaft mit Bergkuppe" (1916) von Klimt hängt zwischen einem farbenfrohen Blumenensemble.

"Von den Modernen" unter den Kollegen schätzt er Klimt "äußerst hoch" und schreibt: "Was an Klimt so bewundernswert ist, ist die Freiheit, mit der er alles behandelt. Er ist eine auf ganz eigenen Wegen wandelnde Persönlichkeit, dabei wienerisch in seiner Grazie und Zartheit."

Spuren der Zeit

Parallel zur Hodler-Schau gibt es die zweite dezidierte Erweiterung des künstlerischen Spektrums im Leopold Museum: In der Schau „Spuren der Zeit“ (bis 26. Februar) zeigen sechs in Wien lebende zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, womit sie sich aktuell beschäftigen.

Sie setzen sich, so die gemeinsame Klammer der Arbeiten, mit der visuellen Kultur auseinander, sie blicken hinter das Sichtbare.
Denn selbst wenn alles so wäre, wie die massenmediale Bilderflut nahelegt, würde genau das unsere Wahrnehmung auf falsche Art beeinflussen: Das thematisiert etwa Anita Witek. Und zwar großflächig: Eine meterhohe Bearbeitung von Schiele-Plakaten des Leopold Museums begrüßt im Untergeschoß, noch bevor der Rest der Ausstellung erlebbar ist.

Am anderen Ende des physischen Maßstabs agiert Andreas Fogarasi: In kleinen Bildern, penibel aneinandergereiht gehängt, blickt er der Präsenz von Kultur im Stadtraum nach, auch der temporären, die zur Bewerbung von Kulturprodukten aufgezogen und bald wieder weggeräumt wird. Hier prägen dem Sichtbaren verborgene Zwecke das Stadtbild; ein Thema, das sich auch bei Kay Walkowiaks Arbeit wiederfindet: Er lenkt den Blick auf die unterschwellige Lenkungsfunktion, die Architektur und Stadtplanung auf das Leben der Menschen ausübt. Auch Cäcilia Brown erkundet die Kraft, die die visuellen Strukturen des Stadtraumes auf das Zusammenleben haben.

Sofie Thorsen widmet sich der Raubkunst von anderswo: Illegale Ausgrabungen holen Werke kurz ans Licht der Öffentlichkeit, bevor diese wieder (am Schwarzmarkt, in Privatsammlungen) untertauchen.

Wie schnell große Wirtschaftsplayer untertauchen, im Speziellen aber dass Fotografie eine materialbehaftete Kunst ist, thematisiert Mladen Bizumic: Er widmet sich der legendären, an der digitalen Fotografie zugrunde gegangenen Fotomaterial-Firma Kodak.

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