Gepose auf allen Seiten

Nas und Left Boy: Der eine wurde ausgebuht, der andere gefeiert. Highlights lieferten beide.

Wer hätte das gedacht? Wer wirklich posen will, muss sich das auch im Hip-Hop erst einmal verdienen. Ausgerechnet. Wo dort doch seit den 90ern vor allem eines wichtig ist. Das Bling-Bling, der Schein, die Behauptung, die immer vor dem Beweis kommt.

Aber die Becher, die da gestern auf die Bühne von Left Boy geflogen kamen, wollten davon nichts wissen. Die großen Gesten und (überengagierten) Animationsversuche von Left Boy waren da nicht gefragt. Der zwar Wahl-New Yorker aber Ur-Wiener (Vater: André Heller) sprach auf der Bühne nur Englisch, gab den grellen Popstar inklusive durchinszenierter Bühnenshow.

Offenbar zu viel des (wirklich) Guten für die Hip-Hop-Versteher früherer Stunden und älterer Semester, die sich bei der ersten Ausgabe des Hip-Hop-Open Austria in der Wiener Arena versammelt hatten.

Original

Left Boy wurde hemmungslos ausgebuht. Zum umso größeren Erfolg geriet dann der Auftritt von Nas. Mit „Illmatic“ lieferte der New Yorker Rapper vor 20 Jahren mit eines der stärksten Debüts der Hip-Hop-Geschichte ab und gilt seitdem als absoluter Ausnahmekönner. Zurecht. So entspannt und gleichzeitig euphorisiert wie bei „N.Y. State of Mind“ oder "Life’s A Bitch" konnte das Publikum in der Arena den ganzen Abend lang nicht mitschwingen.

Nas war aber auch – Überraschung, liebe Becherwerfer – einer der ersten Rapper, die vor allem sich selbst in den Mittelpunkt rückten. Sein Leben als Gangster hatte für ihn nämlich nur einen Sinn: Raus aus seinem Ghetto, den Sozialbauten im New Yorker Queensbridge (Fuck who's the baddest, a person's status depends on salary). Materieller Wohlstand funktioniert seitdem als Grundthema jeglichen Goldketten-Geposes, das 2005 in dem sich schnell verbrauchenden "Get rich or die trying" von 50 Cent gipfelte. Auf "Illmatic" brachte das sein Kollege AZ schon 1994 auf den Punkt: "My Mentality is Money-orientated".

Ein Missverständnis

Da wird es dann schwer, Left Boy fehlende Glaubwürdigkeit, oder eben "Realness", vorzuwerfen, wie man es allseits aus dem Publikum vernehmen konnte, weil er sich bei seinen Liedern vor allem bei Hits wie "Call Me Maybe" und ja – sogar "All I Want For Christmas" ausführlichst bedient.

"Keeping it real und so", wie Blumentopf als dritter großer Act des Abends rappten, hatte im HipHop doch noch nie etwas mit Bescheidenheit zu tun. Sich treu bleiben kann man dort auch mit überzogener Geste und zuviel Hype – also auch Left Boy, der sich eben für amerikanisches Gepose anstatt für die Art von sympathischer Unaufgeregtheit entschieden hat, die man zuvor von Blumentopf gesehen hatte. Und insofern: Schade um seinen Auftritt.

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