Herr Groll, VI: Von Floridsdorf in den Vatikan

Erwin Riess
Erwin Riess schaut darauf, dass der Papst mit seiner Entführung zufrieden ist

Umwege sind nicht nur das Salz jeder Existenz, sondern auch der Literatur, und der Romane Erwin Riess’ aus Wien-Floridsdorf sowieso.

Jedes Mal, wenn er mit seinem Alter Ego, dem gelähmten Herrn Groll, und dessen Rollstuhl Joseph, mittlerweile Josef III, auf Reisen geht, macht er Umwege, auf denen es derart viel Neues zu sehen gibt, dass man darüber Bücher schreiben könnte. (War ein Scherz.)

Man braucht Erwin Riess geradezu, um etwas gegen die drohende Demenz zu unternehmen.

Im sechsten Abenteuer mit dem Titel "Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber" wird viel Unchristliches geboten – der Malteserorden kann sich nicht freuen.

Manichäisch

Auch wird Mitteilung gemacht über steirische Etrusker, Nazi-Donaudampfschiffkapitäne, über die Bedeutung der Gemeinde Frascati für den Fortbestand Roms ... man kann nicht aufhören mit dem Aufzählen.

Man will gar nicht.

Diese Fülle an Informationen will man weitergeben; und sie dann selbst noch weiter vertiefen.

Es werden Welträtsel beantwortet, wie sie sonst wohl nur beim Jedlersdorfer Heurigen Binder besprochen werden. Erwin Riess nennt als Beispiel die Frage:

Wodurch zeichnet sich die Sexualität einer jüdisch-polnisch-manichäischen Spätantike-Forscherin aus?

(Sex ist super, aber es darf keinen Orgasmus geben.)

Unglaublicherweise ist da eine Handlung ... mit einer Spur Dan Brown – auch wenn sich Schriftzeichen als Einkaufsliste einer rumänischen Haushälterin entpuppen.

Groll bekommt den Auftrag, einen Weinviertler zu finden, der sich in Rom zum Malteserritter ausbilden lässt. Er ist für seine Mutter unerreichbar. Seltsam, dass seine Mutter tot ist.

Es gibt 1, 2, 3, 4, 5, 6 Tote und noch viel Seltsames. Etwa, dass die Mafia den Papst entführt – zu seiner Sicherheit. Und er will gar nicht mehr in den Vatikan zurück.

Ob der Koran in Yathrib/Medina um 660 unter Zwang von Juden verfasst wurde und, als Rache dieser Schreiber, ein "Gegenkoran" entstand, in dem das logischere Gegenteil steht – das muss sich Riess mit Muslimen ausmachen.

Jedenfalls ist es sein bester Roman, gefolgt von " Groll im Schatten der Karawanken", wegen dem ein Schuldirektor aus Wolfsberg drohte: Er sorge dafür, dass es in Kärntner Bibliotheken nichts von Riess gibt.

Erwin Riess:
„Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber
Otto Müller
Verlag.
300 Seiten.
22 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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