Natürlich mischt Grönemeyer in diesen ersten Teil auch ein paar Hits, er hat in 44 Karriere-Jahren ja genug davon angesammelt: „Männer“ oder „Kopf hoch, tanzen“. Das Interessante daran: Es macht keinen Unterschied, ob die Songs alt oder neu sind, Hits oder nicht. Jeder wird von den Wienern gleich überschwänglich begrüßt und gleich inbrünstig mitgesungen.
Es ist auch egal, ob das heute wirklich in jeder Minute berechtigt ist. Denn man hat Grönemeyer und seine Band genau in dieser Halle schon besser gehört. Der Sound ist nicht optimal, oft gehen Feinheiten in den Arrangements, die man auf den Platten hören kann, in der Wucht und Laustärke des großen Ensembles unter - speziell, wenn alle Musiker gleichzeitig forsch losrocken.
Aber vor allem hat man die Grönemeyer-Band auch hier in dieser Halle schon viele Male kompakter und viel exakter im Zusammenspiel gehört. Auch dem Star des Abends gelingt nicht alles, wenn er sich in seiner Euphorie mehr schreiend als singend durch die härteren Songs bewegt.
Aber diese einzigartige und enge Beziehung zwischen dem deutschen Barden und seinen hiesigen Fan ist eine gewachsene. Das ist Grönemeyers zwölftes Stadthallenkonzert, und dazwischen war er häufig auch woanders in Österreich zu Gast. Er hat sich diese liebevolle Zuwendung erspielt – mit unter die Haut gehenden Konzerten und einer unprätentiösen Bühnenpräsenz, die von Humor, Menschlichkeit und einer kompromisslosen humanistischen Haltung geprägt ist. Dadurch wurde diese Beziehung unerschütterlich.
Außerdem gibt es trotz der nicht immer perfekten Ausführung der Songs permanent Gänsehautmomente: Beim Saxofon-Solo von „Mensch“ zum Beispiel, bei dem neuen Song „Oh Oh Oh“, bei dem sich in der Projektion am Hintergrund der Bühne eine in Flammen stehende Erde dreht, bei der anrührenden Ballade „Der Weg“ über den Tod seiner ersten Frau, und dann schon in der ersten Zugabe bei „Zeit, dass sich was dreht“. Da bemängelt Grönemeyer anfangs zwar, dass der Publikumschor im Westen (eigentlich war es die Südtribüne) etwas dünn ist - verglichen mit der Euphorie, die ihm bisher entgegenschlug. Aber das dreht sich schnell und Grönemeyer beschließt nach zwei Stunden auf der Bühne, dass er für die weiteren Zugaben gar nicht mehr abgeht und den Abend noch lange dauern lässt.
Gleich drauf, nach „Halt mich“ kommt ein weiterer Beweis dieser gewachsenen Gröni-Wien-Beziehung. Das gemeinsame Lied „Ich hab dich lieb“. Das spielt der Deutsche ausschließlich in Österreich, weil es vor vielen Jahren einmal von einem Fan verlangt wurde und zum Lieblingssong der Österreicher wurde.
„Das ist der siebente Abend der Tour, aber so etwas hatten wir noch nie“ hatte Grönemeyer schon vorher über das ihn im Triumphzug durch die Show tragende Publikum gesagt. Jetzt gegen Ende ist er fast sprachlos: „Man glaubt es, nicht wie schön so etwas sein kann.“
Er bedankt sich mit dem mitreißenden „Mambo“, mit dem Superhit „Land unter“. Und dann, nach dem was eigentlich das Ende sein sollte, der noch mehr fordernde Jubel aber nicht enden mag, sucht er nochmal die Band. Doch weil die „schon weg ist“ setzt er sich nochmal alleine ans Klavier und singt mit prachtvoller Opernstimme „Einmal nur in unserem Leben“, ein von Christoph Willibald Gluck vertontes Goethe-Gedicht. Das Lied über das perfekte Glück ist der ideale Abschluss einer Show, die zwar nicht durchgehend musikalisch, wohl aber in der Stimmung allzeit perfekt war.
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