Helene Fischer in Wien: Kleine Gefühle, groß wie das Stadion

Helene Fischer in Wien: Kleine Gefühle, groß wie das Stadion
Permanent im emotionalen Endspiel: Liebesvisionen und Glücksversprechen beim Wien-Konzert.

Sie alle waren gekommen: Menschen mit „Hirsch auf der Pirsch“-Leiberl und Menschen mit verblassenden Rockertattoos, Menschen voller Hoffnung und Menschen voller Hopfen, quirlige kleine Erstmalskonzertbesucher und abgeklärte Profis, die wirklich schon alles, alles gesehen haben, das im ZDF-Fernsehgarten gezeigt wurde.

Und sie kamen mit einer bestimmten Erwartungshaltung: Es dürstet den Menschen von Heute nach einer Essenz gegen die Erniedrigungen des Erwerbslebens, nach einem Konzentrat gegen die Komplexität des Kapitalismus, nach einer Abwehr gegen die Armseligkeiten des Alltags.

Dies bietet derzeit in der deutschsprachigen Populärmusik nur eine: Helene Fischer, die große Seelenmasseurin, die schon nach wenigen Minuten beim Wien-Konzert im Stadion glaubwürdig versichert: „Ich liebe euch jetzt schon alle.“

Und zwar wirklich alle, denn es ist der Abend des Absoluten: Fischer kennt kein Halbfinale, man befindet sich permanent im emotionalen Endspiel. Es geht um alles oder nichts, für immer, um den entscheidenden Menschen, die wichtigste Nacht, den großen Moment.

Auch in der Show: Es ist der Schlager zuletzt stadiongroß geworden, so, wie es einst der Pop war, und da darf man nichts auslassen. Also regnet es Konfetti und Feuerwerk, es brummt der Bass und knackt der Beat. Und die kleinen Gefühle sind so gewaltig, dass die kaum ins Stadion passen.

Helene Fischer in Wien: Kleine Gefühle, groß wie das Stadion

Liebe!

Sei, so säuselt es während einer Umziehpause, wie ein Schmetterling im Wind! Denn es geht ums Fühlen, sie ist gekommen, um Liebe von der Bühne zu versprühen, ruft Fischer, sie hat die „Vision, euch glücklich zu machen“, wie nett, auch wenn man einander doch kaum kennt!

Das hört man gerne, und schaut man auch gerne an auf der hell strahlenden Super-LED-Wand. Dort tanzt sie in Videoeinspielungen wie die supersauberste Stripperin, zu "Verdammt ich lieb dich" gibt es sexy Sesseltanz, und man staunt, all diese nackte Haut und enge Kleidung, und trotzdem bleibt Fischer nachmittagsprogrammtauglich.

In Catsuit und Minirock kämpft sie die Schlacht um das Glück ihrer Fans, mit Luftballons und einem Truck, mit dem sie durch das Stadion fährt; mit 90er-Jahre-Großraumdiscostampfern (bei „I like to move it“ ist es „offiziell Zeit zum Durchdrehen“) und Kraftballaden für schwierige Zeiten, über deren Inhalt – „Freiheit“ – man lange philosophieren könnte, wenn das nicht dem Glücklichsein im Wege stünde.

Und Fischer kämpft oft auch mit verbotenen Waffen, wie, anfangs, der glitzernden Jeansshort, die bis zum Nabel hochreicht, oder dem Umhängekeyboard, viel später, bei „Atemlos“.

Selbiges wird Fischer übrigens nie: Ihre Stimme ist ungerührt von all der energetischen Ausdrucksgymnastik, die sie absolviert. Sie ist super-fit for super-fun, stürmt über die Bühne, umschlingt den Muskeltänzer, kickt das Bein, um Songs zu beenden. Allein das ist ein Trost für uns, die wir schon im ersten Stock keuchen. Fischer ist wie das eine Model, das unbedingt bei Heidi Klum gewinnen will und alle Aufgaben übererfüllt.

Die romantischen Momente, sagt Fischer, "kann man ruhig einmal teilen" mit dem Liebsten oder der Liebsten, die mitgekommen ist. Denn es soll ein Abend sein, an den wir uns in vielen Jahren erinnern, ein Sommermärchen, auch wenn das Wetter herbstlich war. Die Fans waren gerührt von der Größe dieses Abenteuers, und das war das Beste daran.

Georg Holzer (ORF) zum Helene-Fischer-Konzert

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