Schockierendes Stückchen Stoff
KURIER: Auch wenn’s richtig ist, wie können Sie als Wiener "DAS Rollo" schreiben? DIE Rollo ist doch viel schöner, schöner noch als DER Schok’lad ...
Heinrich Steinfest: Ich lebe nun seit 18 Jahren in Deutschland, das hat wohl doch ein bisserl auf mein Schreiben abgefärbt. Ich hoffe, trotz "das Rollo" kein Vaterlandsverräter zu sein.Das ist jetzt dumm. Denn "Das grüne Rollo", das ist ein so runder Roman, und Sinn hat er (überraschend). Aber 270 Seiten lang muss man glauben, Steinfest sei nur darauf aus, auch den letzten Leser gaga zu machen. Am Schluss ist alles anders.
Man ist geschockt.
Betroffen. Bei der sympathischen Spezies der Weicheier könnte sogar ein Auge feucht werden. Alles wegen eines Stückchen Stoffes im Kinderzimmer des zehnjährigen Theo ...
Das gehört erklärt, aber – das ist das Dumme – es geht nicht: Zumindest im KURIER wird das Ende der Geschichte nicht verraten.
Man sollte sich’s "live" gönnen.
Tun wir hier halt so, als hätten wir es mit einer Kinderfantasie zu tun. Wie zuletzt in "Der Ozean am Ende der Straße" des Engländers Neil Gaiman; mit Vögel, die den Himmel fressen.
Immer laufen
Das grüne Rollo ist neu in Theos Zimmer. Keine Ahnung, wer ’s montiert hat. Um 22.02 Uhr entrollt es sich, und obwohl "da drinnen" Männer mit Feldstecher zu Theo schauen, stürzt er sich hinein.
(Angeblich gleicht es dem Versinken in Stachelbeermarmelade.)
Theo hat nämlich gesehen, dass ein Mädchen gequält wird, mit Seil um den Kopf am Laufband. Bleibt sie stehen, ist sie tot.
Er rettet sie. Nimmt sie mit nach Hause. Seltsam ist, dass Theos Mutter über Anna gar nicht erstaunt ist.
Anna ist Theos Schwester. Wie geht denn das?
40 Jahre später verschwindet sie wieder; und DIE Rollo (einmal muss es notiert werden, AAH!) ist wieder da. Und der 50-jährige Theo stürzt sich ein letztes Mal ... in DEN Marmelad’.
Kinderfantasie?
Na sicher nicht.
Heinrich Steinfest – mit "Der Allesforscher" 2014 im Finale um den Deutschen Buchpreis – wollte eine Schauergeschichte ohne knarrende Türen schreiben.
Erst während des Schreibens zeigte sich: Was wir in unseren Tag- und Nachtträumen treiben, wirkt sich im "echten" Leben stark aus.
Es sprudeln Ideen. Steinfest fängt sie und wickelt sie in Sätze, die man nie vernommen hat. Wo sonst sitzen ungeweinte Tränen wie Ersatzspieler auf einer Bank?
Und wo spielt ein Klavier den Menschen? Nicht umgekehrt! Das Instrument bewegt die Finger. Man muss sagen: Das Klavier spielt den Menschen hervorragend.
Die Hauptfigur im Roman trägt ein T-Shirt, auf dem steht, worauf es ankommt: There’s Life In Our Brain ...
Und zwar in jedem Hirn. Und in jedem Hirn steckt einkleiner Gott und schafft Welten.
Wundern Sie sich nicht manchmal selbst, zu welchen Fantasien Ihr Hirn fähig ist?
Ich habe mich daran gewöhnt, dass es da oben so zugeht, wie es zugeht. Das Schreiben von Romanen ist dabei eine Tasche, in die ich meine Fantasien nicht nur stopfen, sondern auch akkurat einordnen kann.
Sie machen Ordnung?
Ich bin der Aufräumertyp.
KURIER-Wertung:
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