Endlich ein Bademeister!
Heinrich Steinfest ist etwas Besonderes.
Das war schon so, als er Kriminalromane schrieb, die man sogar gern liest, wenn man Kriminalromane nicht ausstehen kann.
Denn mitunter gibt es einen Swimmingpool mit Hai, eine unterirdische russische Verbrecherrepublik (überraschenderweise ohne Pizzerias), und in einer lackierten Holzschatulle lag einmal ein Ohr, das atmen konnte ...
In "Der Allesforscher" ist der Wiener weniger böse; und ruhiger ist er, und langsamer.
Zwei Schritte weg vom verehrten, schimpfenden Thomas Bernhard.
Einen Schritt näher zu John Irving.
Walniere
Zwar ist bei Heinrich Steinfest kein Irving’scher Ringer weit und breit.
Aber ein Hürdenläufer.
Zwar kommt kein Bär vor. Aber immerhin ein toter Wal, der in der taiwanesischen Stadt Tainan auf einem Lkw in ein Forschungsinstitut transportiert wird – und explodiert.
Die Walniere schießt auf einen Fußgänger zu, auf einen Kölner Manager. Herr Sixten Braun, etwas über 30 ist er, wird ein paar Tage im Koma liegen (und sich in seine Ärztin verlieben).
Jetzt kann man freilich fragen: Steinfest, was ist Ihnen denn da wieder für ein Unsinn eingefallen?
Aber einen derartigen Vorfall gab es 2004 in Taiwan tatsächlich. Die Gärgase hatten den Wal zum Platzen gebracht.
Man wird vorsichtig beim Beurteilen, ob etwas – wie man so sagt – der Wahrheit entspricht.
Und man wird sich solches beim Lesen nicht mehr fragen. Denn hier klingt alles "echt". Es wirkt sogar durchaus logisch, wenn eine tote Bergsteigerin im Traum erscheint und sich als Messerwerferin ausbilden lässt.
Sehr umsichtig von ihr.
Flugzeugabsturz
Wunderbares Lesegefühl.
Der Schriftsteller – 1961 in Australien geboren, in Wien aufgewachsen und wohnhaft in Stuttgart – hat seinen allerbesten Roman geschrieben.
Deshalb wird die Geschichte (die wider Erwarten gut endet, alles geht zusammen) an dieser Stelle nicht nacherzählt. Sie soll von ihrem Zauber nichts verlieren. Begnügen wir uns mit Schnipsel:
Der Manager überlebt den Wal und auch noch einen Flugzeugabsturz im Südchinesischen Meer.
Dann reicht es ihm: Er wird Bademeister im "strengen, verbitterten" Stuttgart – er reift, wie es heißt, zum Bademeister heran.
Und rettet immerhin ein Leben: Die Ente, deren Herz er massiert, dürfte einen Schlaganfall erlitten haben.
Konzentrat
Das sind ja alles nur so ... Pinselstriche, die ein Lächeln erzeugen. Leicht surreale Bilder, von Steinfest nach Lust und Laune ins Buch gemalt – in eine Landschaft, in der geboren wird, in der es sprießt, in der man stirbt.
Die Hauptsache ist ein Kind. Konzentrat aller Kinder, mit ihren Talenten, ihrem Fremdsein, ihren Behinderungen.
Die Hauptsache heißt Simon. Ein Achtjähriger aus Taiwan, den der immer glücklicher werdende Bademeister adoptiert. Fast wäre Simon sein eigener Sohn gewesen, (wenn man das kryptisch notieren darf). Die Mutter ist tot, der Vater versteckt sich vor Killern in den Tiroler Bergen; wo er übrigens feine Kaspressknödel macht).
Simon ist der "Allesforscher"; ein Mensch, der sich für alles interessiert und vieles kann. Klettern wie kein Zweiter, zeichnen wie die alten Meister ... verständlich reden kann er nicht. Simon hat seine Privatsprache.
Er sagt halt: Chaanda-sa-hrck! Aber das ist kein Problem. Papa versteht. Es wird ohnehin viel zu viel geredet.
KURIER-Wertung:
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