„Für ,Philanthropy’ habe ich sehr viele Sounds benützt, die ich mit Abkleben der Saiten erzielt habe“, erzählt Bertelmann im Interview mit dem KURIER. „Dann klingen sie wie ein Synthesizer oder wie Perkussion. Und während ich früher immer nur eine Präparation pro Saite hatte, habe ich für dieses Album zwei oder noch mehr übereinandergelegt.“
Nur zwischendurch, etwa beim Stück „Nature“, lässt Bertelmann den Klang des Klaviers alleine stehen. Bei „Magnanimity“ hat er ein unverfremdetes Cello dazu genommen. Aber die schwebenden, dämonischen Töne von „Noise“ sind genauso aus Klavier-Präparationen entstanden, wie die tanzenden, perkussiven von „Diversity“.
Das Komponieren ist bei Betelmanns Hauschka-Alben eine Kombination aus Improvisation und dem Experimentieren mit neuen Präparationen.
„Ich habe all diese Gegenstände vorne auf den Stimmnägeln liegen“, erklärt er. „Dann spiele ich etwas, lege mal dies und mal das auf eine Saite, und wenn das gut klingt, mache ich da weiter. Vieles in meiner Musik ist eine unvorhersehbare Kettenreaktionen von Tönen.“
Ein weiterer Zufallsfaktor: Nicht alles ist auf den Saiten befestigt. „Die Aluschalen von Teelichtern zum Beispiel lege ich nur drauf. Die geben einen metallischen Klang, fliegen aber während ich spiele durch die Vibrationen der Saiten in die Höhe und landen in einem anderen Bereich, wo ich dann mit den Tönen, die ich spiele, hingehen muss.“
Bertelmann ist nicht der Erste, der mit dem präparierten Klavier Musik macht. Dem Amerikaner John Cage wird zugeschrieben, das mit seinem Stück „Bacchanale“, das er 1940 vollendete, erfunden zu haben. Doch Cage selbst nennt seinen Lehrer Henry Cowell als Inspiration dafür, die Saiten derart zu manipulieren. Aber all das wusste Bertelmann anfangs gar nicht.
„Ich kam aus einem Pop-Umfeld, hatte eine Rock- und eine Hip-Hop-Band. Dann habe ich mich für elektronische Musik interessiert und wollte am Klavier Texturen haben. Deshalb habe ich erst einmal einen Finger auf die Saiten gelegt. Aber dann hat mir natürlich eine Hand zum Spielen gefehlt, und ich musste etwas drauf kleben.“
Wenn Bertelmann als Hauschka auftritt, sind die Konzerte kein Abspielen der Platten, sondern eine Demonstration des Präparationsprozesses. Er spielt gerne live, kommt aber gerade nicht so oft dazu. Denn nachdem er für seinen Soundtrack von „Im Westen nichts Neues“ den Oscar für beste Filmmusik bekommen hat, wird er mit Aufträgen aus Hollywood bombardiert, muss vieles ablehnen.
Es ist aber genau die Kombination aus den beiden Karrieren, die ihn glücklich macht: „Wenn man für andere arbeitet, hat man Vorgaben und bekommt andere Anregungen. Und wenn ich für mich arbeite, kann ich wieder frei experimentieren. Nur durch den ständigen Wechsel wird man nicht bei einem routiniert und abgestumpft.“
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