"Eine unglaubliche Chance"

Die Beletage der Neuen Burg: Die Sammlung alter Musikinstrumente, jahrelang im Dornröschenschlaf, wird anderswo zeitgemäß aufgestellt; Ostermayer lässt gleich einmal die Provenienzen erforschen.
Kulturminister Josef Ostermayer und Oliver Rathkolb über das geplante Haus der Geschichte.

Anfang dieses Jahres entschied Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), in der Neuen Burg am Heldenplatz das Haus der Geschichte der Republik zu realisieren. Dort befinden sich, neben einigen Sammlungen des Kunsthistorischen Museums, die Serviceeinrichtungen der Nationalbibliothek.

Um für das Geschichtemuseum Platz zu schaffen, muss die Sammlung alter Musikinstrumente verlegt werden. Dies sorgte in den letzten Monaten für hitzige Debatten und wütende Proteste. Der KURIER bat daher Ostermayer und den Zeithistoriker Oliver Rathkolb zum Doppelinterview. Rathkolb erarbeitet mit einem Team bis zum September das Konzept für das Haus der Geschichte.

Herr Minister, Sie haben ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger beauftragt, mehrere Organisationsmodelle für das Haus der Geschichte zu entwickeln. Warum?

"Eine unglaubliche Chance"
Interview mit Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, in seinem Büro im Palais Dietrichstein. Wien, 18.02.2015.
Josef Ostermayer:Ich möchte eine schlanke Verwaltung. Daher ist es naheliegend, das Haus der Geschichte an die ÖNB anzudocken – entweder als Tochtergesellschaft oder als Bundesmuseum, das der Nationalbibliothek zugeordnet ist. Die Rechtsform wird noch diskutiert.

Herr Professor, ist das Haus der Geschichte als Teil der Nationalbibliothek akzeptabel?

"Eine unglaubliche Chance"
Interview mit dem Zeithistoriker Oliver Rathkolb am 13.3.2015 in Wien anlässlich des Erscheinens seines neuen Buches "Die paradoxe Republik".
Oliver Rathkolb:Ja. Wir haben darüber intensiv im internationalen Beirat diskutiert, die Federführung der ÖNB wurde unisono begrüßt. Wichtig ist uns nur, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet wird.

Ostermayer: Außerdem muss eine finanzielle Kontinuität und Planbarkeit gegeben sein. Ich habe keinerlei Zweifel, dass Johanna Rachinger dies genauso sieht.

Inzwischen steht fest, dass das Haus der Geschichte in die Beletage einziehen wird. Die Sammlung alter Musikinstrumente muss daher abgesiedelt werden, was für Proteste sorgt – zum Beispiel des Musikrats.

Ostermayer: Ja. Die Diskussion hat aber einen sehr positiven Effekt: Vielen Menschen wurde erst jetzt bewusst, welchen Schatz wir da haben. Die Sammlung befand sich in einem Dornröschenschlaf.

Könnte die Sammlung ins Depot kommen, wie manche befürchten?

Ostermayer: Nein, sie soll attraktiver und zeitgemäß präsentiert werden. Ich habe u.a. ein langes Gespräch mit dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt geführt. Wir sind uns einig, dass die Dauerausstellung in die Jahre gekommen ist und erneuert werden muss, um mehr Menschen anzusprechen. Harnoncourt schlug zudem vor, dass Musiker mit den Instrumenten arbeiten können sollen. Ich habe bereits veranlasst, dass die Provenienzen der ungefähr 1000 Sammlungsstücke erforscht werden. Denn ich möchte nicht, dass die Neuaufstellung von einer Restitutionsdebatte überlagert werden könnte. Offen ist, wo die Sammlung neu aufgestellt wird. Möglich wäre das Mezzanin der Neuen Burg. Vom KHM werden aber auch andere Varianten untersucht, darunter ein Ausbau des zweiten Stocks im Hauptgebäude. Noch im Juni werden wir gemeinsam über dieses Thema sprechen.

Das Haus der Geschichte würde mit der Beletage das Auslangen finden? Die Musikinstrumente-Sammlung erstreckt sich dort über 1700 Quadratmeter.

Rathkolb: Ja, denn wir werden die imperialen Treppen in die Ausstellung integrieren. Wir wollen den Besuchern das historische Gebäude beim Hinaufgehen erklären. Wenn man oben angekommen ist, dann ist man auch bereit für das Haus der Geschichte der Republik – und erwartet nicht mehr ein Habsburger-Museum. Und wir wollen die Plateaus doppelt bespielen: als multifunktionale Räume, die auch der Vermittlung dienen. Wir liegen jetzt bei 3000 Quadratmeter reiner Ausstellungsfläche. Damit finden wir das Auslangen. Thematisiert wird natürlich auch die Neue Burg in der NS-Zeit: Sie beherbergte das "Zentraldepot der beschlagnahmten Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz". Die geraubten Bilder hingen an den Wänden wie in einem Museum. Adolf Hitler hat das Depot 1939 besichtigt.

Im März 1938 verkündete Hitler vom Balkon aus den "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich. Der Balkon soll in die Ausstellung integriert werden. Dass die Besucher dort den Hitler-Gruß machen könnten, ist nicht zu befürchten?

Ostermayer: Man spricht immer nur vom "Hitler-Balkon". Das ist bedenklich. Man darf die Ereignisse am Heldenplatz nie verdrängen, es sollte vielmehr eine Diskussion darüber geben. Daher ist es richtig, den Balkon einzubeziehen. Zum Beispiel könnten sich Künstlerinnen und Künstler damit auseinandersetzen. Dass Ewiggestrige Unfug treiben, kann man leider nie ausschließen.

Überlegt wird auch ein Gesamtkonzept für den Heldenplatz samt Burgtor. Was ist das Ziel?

Rathkolb: Den Heldenplatz neu zu definieren. Auch wenn der zweite Flügel der Neuen Burg nie errichtet wurde: Im Hinterkopf hat man noch immer die Abschottung des Kaiserforums zum Volksgarten und zum Parlament. Aber jetzt eröffnet sich eine unglaubliche Chance: Die Parlamentarier ziehen 2017 in die Hofburg ein, weil das Parlamentsgebäude restauriert wird. Auf dem Heldenplatz werden viele Büro-Container stehen. 2022, nach der Rückübersiedelung der Parlamentarier, könnte man den Platz würdig neu gestalten. Vom Balkon der Neuen Burg sieht man genau auf das Parlament. Das Parlament als das Gegenüber des Hauses der Geschichte: Da erübrigen sich alle Diskussionen, ob die Neue Burg der richtige Platz ist.

Ist die Eröffnung Ende 2018 überhaupt sinnvoll? Manche meinen, die Realisierung ginge sich ohnedies nicht aus.

Ostermayer: Das 100-Jahr-Jubiläum der Ausrufung der Republik im November 2018 liegt nahe. Natürlich ist das Ziel sehr ambitioniert. Wir sind zeitlich gut unterwegs und werden im Herbst die Gestaltung des Hauses der Geschichte ausschreiben.

Rathkolb: Bis Anfang September werden das Konzept und die genaue Kostenschätzung vorliegen. Ich halte die Realisierung für durchaus machbar – außer, es passiert irgendetwas Unvorhergesehenes.

Kann erst 2022, nach dem Abzug des Parlaments, mit dem Bau des Tiefspeichers für die ÖNB begonnen werden?

Ostermayer: Vielleicht können die Bauarbeiten schon währenddessen beginnen. Denn wenn nicht, wäre die Frage: Wie gehen wir mit dem Depotproblem der Nationalbibliothek um? Ich habe im März eine Steuerungsgruppe initiiert, in die alle Akteure eingebunden sind. Und diese arbeitet daran.

Info: Lesen Sie am Montag über die Pläne für die Österreich-Schau im KZ Auschwitz-Birkenau.

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