Hat Billie Eilish vom Kunstprovokateur Cattelan abgekupfert?
Bald 270 Millionen Mal wurde der Song "Bad Guy" des 17-jährigen US-Pop-Phänomens Billie Eilish auf YouTube gestreamt. Der Name "Toiletpaper" kam dabei wohl nur den wenigsten in den Sinn. Doch einige User der Plattform Reddit erkannten die Ähnlichkeiten zwischen Szenen des Videos und dem satirischen Kunstmagazin, das 2010 vom italienischen Provokateur Maurizio Cattelan und seinem Kollegen Pierpaolo Ferrari gegründet worden war.
Die Szenen, in denen die Sängerin zwischen zwei Plastiksäcken erscheint, in denen scheinbar abgetrennte Köpfe schwimmen, ist ebenso der Bildsprache des Magazins entlehnt wie die Perspektive der Kamera, die durch ein Spalier wackelnder Männerbäuche auf Eilish blickt. Auch die Einstellung, in der die Sängerin einen am Boden liegenden Mann mit Milch und Cornflakes überschüttet, war zuerst in "Toiletpaper" zu finden. Wie ein Reddit-User auf Nachfrage erfuhr, wussten die Macher der Publikation nichts von den Ähnlichkeiten.
Dass sich Musikvideo-Regisseure bei prägnanten, witzigen oder drastischen Bildideen bedienen, die zuerst im Feld der bildenden Kunst auftauchten, ist beileibe nichts Neues. Eilish selbst beuaftragte den japanischen Kunst-Popstar Takashi Murakami für ihr im April ausgekoppeltes Video "You Should See Me In A Crown". Murakami entwickelte auch eine Linie von Billie-Eilish-Merchandisingprodukten in dem für ihn typischen Anime-Stil.
Während eine solche Kooperation für beide Seiten lukrativ sein dürfte, erfahren die Toiletpaper-Macher nun höchstens auf Umwegen etwas Aufmerksamkeit für ihr Produkt. Die Red Hot Chili Peppers hatten für ihr Video "Can't Stop" (2002), das sich an den "One Minute Sculptures" von Erwin Wurm orientierte, den Namen des österreichischen Künstlers noch im Abspann genannt.
Der Grammy-prämierte Regisseur des "Bad Guy"-Videos, Dave Meyers, scheint derlei nicht nötig zu finden. Und so ist es nicht der erste Plagiatsvorwurf, dem er sich ausgesetzt sieht: Bereits bei Videos für Ariana Grande und Kendrick Lamar wurden Plagiatsvorwürfe gegen Meyers erhoben. Ob es diesmal zu einem Prozess kommen werde, sei noch unklar, berichtet der Branchendienst Artnet.
Der Künstler Maurizio Cattelan hat übrigens seinerseits kein Aufmerksamkeitsproblem: Zuletzt sorgte der Italiener für Schlagzeilen, als das Guggenheim Museum New York eine von ihm geschaffene, aus solidem Gold gefertigte Toilette mit dem Titel "America" als Leihgabe an Donald Trump offerierte (das Weiße Haus hatte ursprünglich um ein Van-Gogh-Gemälde angefragt).
In Wien ist Cattelan derzeit mit einer vergleichsweise "leisen" Installation bis 6.10. im Theseustempel im Volksgarten präsent: Beim Werk "Turisti" (Touristen) handelt es sich um eine Gruppe ausgestopfter Tauben, die Cattelan bereits zweimal bei der Venedig-Biennale präsentiert hatte. Die Schar der ungefragt "eingewanderten" Gäste lässt sich als Kommentar zur Überflutung Venedigs verstehen, wirft aber auch den touristischen Blick auf eine Sehenswürdigkeit - den Markusplatz, den Biennale-Pavillon oder eben den Theseustempel - lakonisch zurück.
Tauben kommen übrigens auch in Billie Eilishs "Bad Boy"-Video vor. Und auch die charismatische Sängerin wird nach österreich einfliegen: Sie tritt am Donnerstag, den 15.8., beim Frequency Festival in St.Pölten auf.
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