Harrison Ford im Interview: „Ich spüre mein Alter täglich“
Harrison Ford hat keine Angst vor dem Alter.
Er ist jetzt 80 – na und?
„Ich brauche nicht weiter über mein Alter nachzudenken, ich spüre es täglich“, grinst er knorrig:
„Aber ich mache mir darüber keine Sorgen, im Gegenteil: Ich genieße es. Und das gelingt mir deswegen, weil ich mir nicht davor fürchte.“
Harrison Ford ist bester Laune und gibt beschwingt Interviews. Anlass dazu bietet sein neues Kino-Abenteuer „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (Filmstart: Donnerstag).
Zum fünften Mal griff Harrison Ford darin zu Schlapphut und Peitsche, wobei er betonte, dass dies sein letzter Auftritt als Archäologe und Forscher Indiana Jones sein werde. Nicht einmal Steven Spielberg, der 1981 mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ den Grundstein für eines der einflussreichsten Blockbuster-Reihen Hollywoods legte, war als Regisseur mit an Bord. Nach vier Indiana-Jones-Abenteuern überließ er den Regiestuhl James Mangold („Wolverine“).
„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ knüpft anfänglich gekonnt an die Vorgängerfilme an, indem es Harrison Ford als jungen Mann während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gegen die Nazis zeigt. Dank elaborierter „De-Aging“-Technik sieht Ford tatsächlich überzeugend jugendlich aus – und taucht das Publikum gleich einmal tief ins Nostalgiebad.
Dann folgt ein harter Zeitsprung ins Jahr 1969 – und zeigt den gerade noch taufrischen „Indy“ plötzlich als zerknautschten Alten, der in Unterhose vor dem Fernseher eingeschlafen ist und eine leere Bierflasche in Händen hält.
Alt und verlottert
Das fortgeschrittene Alter des Schauspielers ist in dieser Szene deutlich erkennbar – und genau das soll es auch sein: „Es ist Absicht, dass ich nichts anhabe und so verlottert aussehe“, so Ford nachdrücklich: „Ich wollte ungeschützt und verletzlich wirken. Das Publikum soll die Schildkröte ohne ihren Schutzschild sehen, ohne den Glanz der Jugend. Indy ist gebrochen – und erst die Freundschaft zu seiner Patentochter Helena richtet ihn wieder auf.“
Wenn es um Phoebe Waller-Bridge geht, die als Helena an seiner Seite die absurdesten Verfolgungsjagden absolviert, kommt Leben in „Indiana Jones“.
Nachdem er die Britin zufällig in ihrer Comedy-Serie „Fleabag“ gesehen hatte, schlug er sie umgehend seiner Produzentin vor. Doch die hatte denselben Gedanken und bereits mit ihr Kontakt aufgenommen: „Das war wie bei der Erfindung der Schreibmaschine“, strahlt Harrison Ford: „Die fand auch an zwei unterschiedlichen Orten gleichzeitig statt.“
Nicht nur bei der Premiere von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ in Cannes musste der Star-Veteran die eine oder andere Träne der Rührung zerdrücken: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so emotional werde“, gibt er zu: „Aber manchmal werde ich einfach daran erinnert, was für ein Glückspilz ich bin.“
Nicht viele Schauspieler können in ihren Karrieren auf so ikonische Helden in riesigen Hollywood-Franchises zurückblicken wie er. Befragt nach dem Verhältnis zu seinen Glamour-Rollen wie Indiana Jones oder Han Solo in „Star Wars“, gibt er sich dennoch betont ungerührt.
Han Solo mit Indiana Jones vergleichen?
Macht er nicht: „Das ist Ihr Job. Alles, was ich zu diesen Figuren zu sagen habe, sehen Sie auf der Leinwand.“
Nein, er blicke auch nicht zurück: „Die alten Rollen riechen nicht mehr gut.“
Steaks und Fisolen
Es müsse schon einen triftigen Grund für eine Rückkehr geben – wie bei „Indiana Jones“: „Ich wollte sehen, was aus ihm geworden ist.“ Aber nostalgisch über den Abschied von der Rolle wäre er nicht: „Jeder Film ist eine neue Herausforderung. Man kann nicht immer das Gleiche machen. Wenn man lange genug Steak gegessen hat, dann schmecken zur Abwechslung auch die Fisolen gut.“
Und ehrlich gesagt, gehe er auch nicht ununterbrochen ins Kino: „Das ist der Ort, an dem ich arbeite. Da kommt es schon mal vor, dass ich das eine oder andere verpasse.“
Tatsächlich aber gäbe es einen Film, der sein ganzes Leben geprägt hat: Das Rassismus-Drama „Wer die Nachtigall stört“ (1962) – mit Gregory Peck als Anwalt Atticus Finch: „Ich komme aus einer unreligiösen Familie. Meine Mutter war Jüdin, mein Vater Katholik. Ich wurde als Demokrat erzogen – Gott sei Dank“, sagt Harrison Ford und lacht trocken: „Dieser Film ließ mich Gut und Böse besser verstehen. Und die Macht des Kinos. Es ist ein Film, der Menschen zusammenbringt, und nicht, wie in unserer Kultur gerade üblich, auseinander treibt und spaltet – aus purer Profitgier. Insofern wünsche ich mir, dass die Leute ins Kino zurückkehren und Geschichten sehen, die von einer gemeinsamen, menschlichen Erfahrung erzählen.“
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