Gute Polizisten hatten es schwer

schriftsteller roversi
"Milano Criminale": Zurück ins Italien, als Gangster keine Waffen trugen und winkten.

Hinten im Buch ist aufgelistet, welche Lieder der 1975 geborene Mailänder Journalist Paolo Roversi gehört hat, um die 1960er-Jahre seiner Stadt einfangen zu können: Patty Pravo mit „Ragazzo triste“, Mina mit „Città vuota“, Buscalglione, Celentano, Morandi, Dalla ...
Die Musik allein ist auch nicht übel.

Roversi ist kein Dichter, der Gefühle auslösen und Düfte versprühen kann. Wenn auf dem Papier steht, es rieche nach Lavendel und frischem Brot, heißt das noch lang nicht, dass es in der Nase des Lesers juckt.

Dem Autor ging es beim Schreiben von „Milano Criminale“ in erster Linie um die Verbrecherwelten: um die Verwandlung in ein Mailand, in dem man’s zwischen Armani, Gucci und Valentino zwar nicht merkt, aber alle Organisationen vertreten sind.

Das macht er sehr gut, indem er am 27. Februar 1958 in der Via Osoppo beginnt.

Entzücken

Auf der einen Straßenseite steht Antonio, auf der anderen Roberto. Die Kinder kennen einander nicht. Später werden sie aufeinandertreffen. Mehrmals (und in einer durchaus möglichen Fortsetzung noch einmal).
Sie beobachten, wie sechs Maskierte einen Geldtransporter überfallen.

Ganz unblutig geschieht das. Sehr elegant. Einer der Banditen winkt sogar den Zuschauern, und viele Italiener sind von diesem 600-Millionen-Lire-Coup, der sich damals tatsächlich ereignet hat, geradezu entzückt.

Roberto gehörte schon als Knirps zu den „Ligera“, den unbewaffneten Kleinkriminellen. Seinem Weg zu einem der meistgesuchten italienischen Verbrecher wird gefolgt.
Und für Antonio entscheidet sich in diesem Augenblick: Nein, Arzt wird er nicht und auch nicht Anwalt, wie es die Eltern gern hätten.
Sondern Polizist.

„Milano Criminale“ ist also kein Krimi, sondern Polizei- bzw. Gangsterroman – in dem es die Guten anfangs schwer haben. Denn so ein Bankräuber, der nicht nur an sich denkt (auch den gab es früher wirklich), sondern die Wechsel in der Bank mitgehen lässt und verbrennt, damit andere Leute ebenfalls etwas haben davon ... ein derartiger Robin Hood ist von einem Commissario schwer zu toppen.
Aber das ändert sich. Italien wird ein Pulverfass.

Gute Polizisten hatten es schwer
cover
Irgendwann sagt Polizist Antonio zu einem Gangster, dass Jäger und Gejagter einander immer ähnlicher werden, dass sie sich anpassen. Er sagt auch: „Alles, was wir brauchen, ist eine Frau, die uns liebt.“

Darauf sagt der Gangster: „Warum erzählst du mir den Schmonzettenscheiß?“ Na, weil das halt auch zu einem Roman gehört, der das Zeug zum Bestseller hat.

KURIER-Wertung: **** von *****

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