Mittwochabend im Happel-Stadion wird gleich zu Beginn klar, dass Axls Stimme heute nicht das Problem ist. Sie hält. Zwar ist sie in dieser ersten Phase oft zugedeckt von den lauten Gitarren und dem noch unausbalancierten Sound und muss bei Songs wie „Mr. Brownstone“ und „Chinese Democracy“ mit viel schnellem Sprechgesang auch noch nicht die höchsten Töne erklimmen. Aber so fast mitleiderregend schlecht, wie man Rose hierzulande auch schon gehört hat, ist sie heute nicht.
Es ist auch nicht so, wie 2017 in diesem Stadion, dass Rose und Slash eine Stunde lang aneinander vorbei spielen. Diesmal klingen sie von Beginn an kompakter im Zusammenspiel, und auch der Sound wird mit Fortdauer der Show immer besser.
Das Problem in dieser Phase ist die Setlist. Erst einmal gibt es viele harte Rocknummern, die ohne prägnante Melodien nie Hits waren und sich in Tempo und Aufbau ein wenig zu ähnlich sind. Sogar das AC/DC-Cover „Back In Black“ fällt da nicht großartig aus dem Rahmen. Dazu kommt, dass Slash immer wieder Soli einbaut, die aber - ganz entgegen seiner Stärke - in dieser Anfangsphase zwar virtuos, aber mit wenig Feeling daher kommen.
All das wird aber stetig besser. Nur dauert das. Lange. Und noch länger. Highlights in dieser Phase sind „Live And Let Die“, „You Could Be Mine“ und das Iggy-Pop-Cover „I Wanna Be Your Dog“, das Bassist Duff McKagan singt. Dazwischen aber hat man das Gefühl, dass zwar die Band großen Spaß an all dem hat, aber nur für sich spielt und nicht auf das Publikum zu- und eingeht.
Die 40.000 Fans nehmen diesen Hedonismus gelassen. Sie setzen sich auf den Boden, machen Selfies mit der Bühne, oder holen den nächsten Drink. Sie wissen, dass da noch einiges kommt, denn es war eine Spielzeit von drei Stunden angekündigt.
Die liefern Gun N‘ Roses auch. Und nach zwei Stunden und gefühlten 30 T-Shirt-Wechsel von Axl (okay, einmal durfte es auch ein Hemd sein, zwei Mal ein Sakko) fällt Slash nach einem diesmal wirklich gefühlvollen Solo in das geniale Riff von „Sweet Child O‘ Mine“. Das zündet sofort, und von da an wird das Konzert, das bis jetzt langatmig war, richtig gut.
Zwischen ihre eigenen Hits schieben Guns N‘ Roses jetzt Überraschendes, das nicht nur wegen der Abwechslung, die es bringt, aufhorchen lässt: Zum Beispiel eine bluesdurchtränkte Version von Jimmy Webbs Country-Klassiker „Wichita Lineman“, oder das mit drei akustischen Gitarren als Instrumental vorgetragene „Blackbird“ von Paul McCartney. Bei „November Rain“ sitzt Rose am Klavier und die Stimme hält noch immer. Auch bei der furiosen Version von „Knocking On Heaven‘s Door“ mit ausgedehnten Gitarrensoli, bei denen auch der zweite Gitarrist Richard Fortus glänzen darf.
Zwar können die Amerikaner mit ihren Hits „Patience“ und „Paradise City“ in der Zugabe dann nichts mehr falsch machen. Insgesamt wäre aber ein Kürzen des Programms der ersten zwei Stunden auf eine einzige gut gewesen – für die Zuschauer, die vielfach schon beim Vorprogramm da waren und seit dem Nachmittag im Ernst-Happel-Stadion gestanden haben, aber auch für Axl Rose, der zwar nicht heute, aber doch immer wieder mit Stimmproblemen kämpfen muss.
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