Großes Ohrenkino der Vielharmoniker im Porgy & Bess
Der gebürtige Wiener Michael Mantler hat 1968 mit dem Jazz Composer's Orchestra eine Doppel-LP eingespielt, das als wichtiges Manifest des Free Jazz in die Musikgeschichte eingegangen ist. Mit dabei waren damals Kapazunder wie Cecil Taylor, Don Cherry, Pharoah Sanders, Gato Barbieri, Larry Coryell.
45 Jahre später wird es im Jazz- und Musicclub in der Riemergasse nicht einfach nachgespielt, sondern von Mantler, der im August seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, neu orchestriert, neu instrumentiert, neu arrangiert und teils neu komponiert.
Beim „Update“ des Klassikers sind Vielharmoniker am Werk, die vermutlich sogar mehr Probenzeit bekamen als die Wiener Philharmoniker: Die 24-köpfige Nouvelle Cuisine Big Band unter der Leitung von Christoph Cech studierte gemeinsam mit dem radio.string.quartet.vienna die komplexe, nun neunteilige Suite in einer Woche ein. Das Ergebnis – demnächst bei ECM als Live-CD nachzuhören – ist ganz großes Ohrenkino. „Nicht gestrig, sondern eher morgig“, sagt Cech. „Ein schöner Moment. Schließlich ist Jazz die Musik, die sich am besten im Moment eröffnet.“
Wobei die Freiheit in dieser Art Free Jazz Grenzen hat und auf die Solisten – Harry Sokal, Wolfgang Puschnig, David Helbock, Bjarne Roupé u.a. – beschränkt bleibt, was am konzentrierten Blick aller Musiker auf die Notenblätter zu erkennen ist.
Die Avantgarde von einst klingt noch bemerkenswert frisch. „Wenn man Oratorien mag“, witzelte jemand in der Pause. Und eine Besucherin nannte die klangliche Oktoberrevolution „spätromantisch“.
Kommentare