Glavinic in Graz: Antiheld auf Höllenfahrt

Glavinic in Graz: Antiheld auf Höllenfahrt
Das Schauspielhaus Graz hob Thomas Glavinic' Roman "Das bin doch ich" auf die Bühne. Als temporeiche Trashrevue.

Natürlich werden auf der Bühne Spaghetti gegessen. Da hat sich Daniel Kehlmann mit seiner Salzburger Festspielrede vor zwei Jahren, in der er dem Regietheater eine Obsession für Hartweizennudeln unterstellte, einen Running Gag geschaffen, der ihm noch lang nachlaufen wird.
Natürlich kommt die Rede auf den 400.000 Euro teuren Lamborghini, den Thomas Glavinic kürzlich in einem italienischen Telefonmast parkte. Bei einer Testfahrt für die Zeitschrift Autorevue.
Berühmt sein ist ein Hund.
Da wächst sich jedes Ungeschick zur Anekdote aus.

Das Schauspielhaus Graz brachte eine dramatisierte Fassung von Thomas Glavinic' Roman "Das bin doch ich" zur Uraufführung. 2007 erschien das Buch. Eine Replik auf den Erfolg, den Glavinic-Freund Kehlmann mit "Die Vermessung der Welt" hatte. Intendantin Anna Badora will die Glavinic-Premiere nun als Kontrapunkt zu Kehlmanns Theater-Sieg "Geister in Princeton" aus der Vorwoche verstanden wissen.

Remis

Das Leben ist ein Wettstreit. Doch das Ergebnis kann als Remis gewertet werden. Regisseurin Christine Eder inszeniert die von ihr erstellte Textfassung als temporeiche, kabaretthafte Trashrevue. So schlitzohrig und (selbst-)ironisch, so politisch unkorrekt und augenzwinkernd wie's die Vorlage hergibt, hangelt sie sich von Episode zu Episode.
Von Vargas Llosa bis Viennale. Vom Am-Sessellift-Hängen mit dem Schwiegervater bis zum Finger-Kapperl-Abrasieren mit dem neuen Küchengerät. Kenner des Buches werden über vieles wieder lachen, vieles vermissen. Glavinic-Anfängern kann der Abend immerhin als Einstiegsdroge dienen.
Wie Glavinic' Roman-Ich ist Thomas Frank als dessen Bühnen-Ich ein Antiheld auf Höllenfahrt durch den Literaturbetrieb. Sein Antrieb: Über den "besten Autor seiner
Generation" sagen zu können: Das bin doch ich!
Mit Mutterwitz schlägt er sich durch den Aberwitz seiner Existenz. Und muss sich im Gegensatz zum zweidimensionalen Alter Ego auch noch mit halsbrecherischen Requisiten herumschlagen.
Schön auch, wie er "Hanser" - er hofft auf einen Vertrag mit dem Verlag - auf AC/DCs "Thunderstruck" singt. Bei seiner Nabelschau unter Kopfschmerzen (diese vom Kampftrinken) begleitet ihn Christoph Rothenbuchner als allzeit properer, kontrollierter Kehlmann, der mit mild-überheblichem Buddhismus so nervt wie mit steigenden Verkaufszahlen.

Sau

Dass Wien, wo die Handlung großteils stattfindet, ein Dorf ist, man in Graz aber nicht jede Sau kennt, die man durchs Dorf treibt, lässt Gags über "Starjournalisten", brachial-joviale Theatermänner und die üblichen Fotofinish-Sieger an Buffetts verpuffen. Das Publikum applaudierte dennoch höflich.
Lieber Thomas Gratzer, lad' die Grazer doch zum Gastspiel ein. Im Rabenhof hauen sich die Leute garantiert vor Freude um die Erd'.

KURIER-Wertung: ****
von *****

Fazit: Ein Vergnügen für den Kulturvoyeur

Das Buch
Zerlegt mit voyeuristischem Vergnügen die heimischen Kulturbetreiber. Schaffte es auf die Shortliste des Deutschen Buchpreises.

Inszenierung
Entsprechend der Vorlage ein surreal-sarkastisches Täuschungsmanöver. Die Grenzen zwischen unwirklich und unwahr sind fließend.

Darsteller
Ausgezeichnet. Allen voran Thomas Frank, der schwarzes Schaf und Sündenbock in einem gibt. Birgit Stöger und Sebastian Reiß überzeugen in mehreren Rollen.

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