Gespräch mit Clemens J. Setz: Ein Steiermark-Krimi reizt ihn

Gespräch mit Clemens J. Setz: Ein Steiermark-Krimi reizt ihn
Der neue Büchner-Preisträger über Twitter, Facebook, seinen Bart, seine Finanzen und das Jahr 2042

Sein Bart riecht nach Käse, hat er auf Twitter mitgeteilt.

Ist das eine Art Selbstgespräch, das der neue Büchner-Preisträger Clemens J. Setz öffentlich führt.

„Zumindest eine Art Tagebuch“, sagt er, mit dem KURIER plaudernd. „Twitter ist ja eigentlich eine Langzeit-Textsorte, wo von Tag zu Tag Dinge erzählt und weitergesponnen werden.“

Mit Facebook hat er aufgehört: „Da waren meine ,Freunde’ viel zu sehr sie selber, das heißt es gab zu wenig Differenz zwischen Mensch und Kunstfigur/Avatar. Auf Twitter entsteht diese Differenz viel schneller und natürlicher, wahrscheinlich weil die strenge Zeichenbegrenzung die eigenen Äußerungen uneigentlicher und künstlicher aussehen lässt. “

Vielleicht riecht sein Bart also gar nicht nach Käse.

Sucht

Alles Schimäre. Möglich, dass dieser Schriftsteller sogar schwindelt, wenn er beteuert, er kenne keine „normalen“ Menschen, deshalb seien die Romanfiguren so seltsam.

Setz ist von Graz nach Wien übersiedelt, hier werden ihm doch welche begegnet sein! „Oh ja. In Wien laufen alle geradezu grenzüberschreitend normal herum.“

So unklar, wie er redet, so unklar bleiben seine Bücher, „Söhne und Planeten“ etwa, „Indigo“, „Die Vogelstraußtrompete“ ... „Ich habe im Leben noch nie ein Geheimnis vollständig aufgedeckt, vielleicht kommt das daher.“

Mit 15, 16 war er pickelig, unsicher, depressiv (also stinknormal) und süchtig nach Computerspielen. Dann süchtig nach Lesen. Schließlich süchtig danach, sich Dinge auszudenken und aufzuschreiben.

Nur „ein wenig“ machte ihn Literatur lebensfroher, denn „das Schreiben hat leider auch die Tendenz, das eigene innere Leid zu verstärken und zu verankern. Eine eindeutige therapeutische Wirkung hatte es nie. “

Trara

38 ist Clemens J. Setz Der Büchner-Preis ist seine 18. Literatur-Auszeichnung! Die bedeutendste im deutschen Sprachraum. Oft ging sie an Berühmtheiten um die 70. (Ausnahme: Handke war 30.)

Und mit 60, 70? Was wird er dann noch machen?

„Bestimmt werde ich mich gegen ein Neural-Implantat wehren, das man mir 2042 einpflanzen will.“

Nun glauben ja die Leute, ein mit Lob überschütteter Schriftsteller hat mindestens einen revitalisierten Bauernhof im Waldviertel und am Meer eine Villa.

„Häuser und Grundstücke kann ich mir nicht kaufen, aber natürlich ist das Preisgeld (50.000 Euro, Red.) sehr großzügig, sodass man für eine längere Zeit keine Geldsorgen haben muss.“

Das Verlangen, Leichtgewichtiges zu fabrizieren, ungelobt, aber mit tollen Verkaufszahlen, das „mag vielleicht existieren, aber ich kann nicht sagen, dass ich das je absichtlich probiert hätte.“

Einen Steiermark-Regionalkrimi „würde ich mal versuchen wollen.“

Braucht man Bestseller, um weiterarbeiten zu können / zu wollen?

„Manche haben ihre Produktion tatsächlich zweigeteilt, in Kunst und Geldverdienen, etwa Faulkner, Graham Greene, Dürrenmatt, die alle Krimis und Drehbücher für Geld verfasst haben.“

Schlimm?

„Daran ist nix verkehrt. Aber für eine große Dichterin wie Friederike Mayröcker wünscht man sich – zumindest ich, als ihr Leser – , dass sie sich nicht dergestalt zweiteilen möge. Sondern immer so schreiben dürfte, wie sie will, und dass wir dann die von Buch zu Buch leuchtender und seltsamer werdenden Ergebnisse genießen können. Glücklicherweise ist das in ihrem Fall so passiert.“

Zum Abschied die beste Antwort auf die schrecklichste Frage: Hat denn Ihre Literatur eine AUFGABE?

„Ein Trara machen.“

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