"Geschlossene Gesellschaft" im Burgtheater: Jedermanns Höllenfahrt

Machen sich das Sein zur Hölle: Regina Fritsch, Tobias Moretti und Dörte Lyssewski in "Geschlossene Gesellschaft"
Burgtheater-Direktor Martin Kušej gelang mit Tobias Moretti eine packende Inszenierung von Jean-Paul Sartres Einakter

Was wäre, wenn der Jedermann im letzten Moment nicht den reuigen Sünder gäbe? Dann würde ihn der Teufel holen. Und dann würde der Jedermann vielleicht in jener Hölle schmoren, die Jean-Paul Sartre in seinem Einakter „Geschlossene Gesellschaft“ beschreibt.

Im Burgtheater verweist Martin Zehetgruber ganz offensichtlich auf den Klassiker der Salzburger Festspiele: Vier Stufen führen hinauf zu einer Spielfläche, die von einer langen, mit einem weißen Tischtuch gedeckten Tafel dominiert wird. Dahinter ragt eine formatfüllende Fassade auf. Wenn auch nicht die des Doms: Sie besteht aus 33 Reihen mit grauen Hohlziegeln, gut sieben Meter hoch. Der ehemalige Jedermann-Darsteller Tobias Moretti zeigt sich als Joseph Garcin durchaus beeindruckt.

 

Und was soll das mannshohe, weiß lackierte Essiggurkerl? Er hätte sich, sagt Garcin, „wenigstens so etwas wie eine ordentliche Barbedienne-Figur erwartet“. Moretti kennt eben den Originaltext von Sartre – samt der Anweisung, dass der nachfolgende Schlagabtausch in einem „Salon im Second-Empire-Stil“ mit einer Bronzefigur aus der Werkstatt von Ferdinand Barbedienne auf dem Kamin zu spielen habe.

Christoph Luser als formvollendeter Kellner im Smoking, ein diabolischer Cerberus mit Engelsgeduld, kann nur mit den Schultern zucken: Die Skulptur sei „da unten“, auf der Erde, ziemlich teuer. Zehetgruber hat auch dieses phallische Ding ganz bewusst ausgewählt: Das Selbstporträt von Erwin Wurm als GurKERL steht gleich in mehreren Varianten neben dem Salzburger Festspielbezirk. Und Dörte Lyssewski verpasst ihm später einen Fußtritt. Ihre Inès ist schließlich lesbisch.

Eine Art Bürgerkrieg

Martin Kušej, der Direktor des Burgtheaters, verlegte seine Inszenierung also in die von einer Spaltung der Gesellschaft definierten Jetztzeit: Aus dem Zweiten Weltkrieg wurde „eine Art Bürgerkrieg“. An die Entstehungszeit erinnert aber zumindest die mannstolle Estelle: Regina Fritsch entspricht ganz dem Look der 1940er-Jahre (Kostüme von Werner Fritz).

Damit sich die drei Toten das erzwungene Zusammensein packend zur Hölle machen können, ließ Kušej viel Fülltext streichen. Und er arbeitete geradezu absurden Witz heraus. Die Logik bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Denn im Jenseits weint man ohne Tränen, spuckt aber mit Speichel.

Morettis Garcin gefällt sich selbstbemitleidend als Jesus am Kreuz, Lyssewskis Inès ist enorm pushy, und die Estelle der Regina Fritsch zieht alle Register der exaltierten Drama Queen. Dass der zweistündige Abend kurz einmal durchhängt, liegt nicht an ihnen: Das Ende ist sehr absehbar. Es dauerte zum Glück keine Ewigkeit, bis das Publikum am Samstagabend begeistert zu klatschen begann.

Kommentare