Zu spät für Richard Strauss

Zu spät für  Richard  Strauss
Rosenkavalier, Salome, Elektra. 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten bekommen seine Erben keine Tantiemen mehr.

Wer über die Suchmaschine Google das Wort „Rosenkavalier“ eingibt, kommt auf mehr als 100.000 Clicks, bei YouTube sind’s gar 3,5 Millionen. So oft wurden bisher Auszüge aus dem Meisterwerk von Richard Strauss über die beiden Videoportale angefordert. Trotz dieser gigantischen Zahlen erhielten die Erben des Komponisten dafür keine Tantiemen. Mit der neuen EU-Urheberrechtsreform soll sich das ändern. Allerdings nicht für die Nachkommen von Richard Strauss. Für sie kommt das Gesetz zu spät, seine Beteiligungen laufen Ende des Jahres 2019 aus.

Die gesetzlich vorgeschriebenen Zahlungen für Komponisten und Textdichter enden 70 Jahre nach ihrem Tod. Und Richard Strauss starb vor 70 Jahren, am 8. September 1949.

Es geht um viel Geld, da Strauss weltweit nach wie vor ein Millionenpublikum anzieht, sei es durch Bühnenaufführungen, Fernseh- und Radioübertragungen, durch CDs oder im Internet. Neben dem „Rosenkavalier“ zählen vor allem „Salome“, „Elektra“ und „Ariadne auf Naxos“ zu seinen großen Erfolgen.

Strauss und die Politik

So genial Strauss als Komponist war, so umstritten war er als Geschäftsmann mit gutem Draht zur Politik. Kaum waren die Nazis 1933 an der Macht, ließ er sich durch Propagandaminister Goebbels zum Präsidenten der Reichsmusikkammer küren, als der er die Tantiemensituation für „arische“ Komponisten erheblich verbesserte (während jüdische Musiker jeglichen Anspruch verloren).

Aus für Strauss

Richard Strauss selbst konnte dabei als meistgespielter Vertreter der ernsten Musik des 20. Jahrhunderts den größten Profit einstreifen. Heute noch verfügt sein in Garmisch-Partenkirchen lebender Enkel, der Arzt Christian Strauss, über riesige Einnahmen. Doch die Tantiemen versiegen mit Ende des Jahres 2019, eben 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten.

Die Wurzeln des Urheberrechts stammen aus der Zeit der Französischen Revolution und wurden seither stetig zugunsten der Künstler verbessert. So endeten die Tantiemenzahlungen für die Nachkommen des 1883 verstorbenen Richard Wagner bereits 30 Jahre nach seinem Tod.

So gut das Geschäft für Strauss & Co über die klassischen Medien lief, so knausrig waren bis jetzt die neuen Medien. Über YouTube, Facebook und Spotify erhielten die Erben bisher so gut wie keine Tantiemen: Für fünf Millionen Clicks (!) bekommen Künstler und ihre Nachfahren – von Elton John über John Lennon bis Udo Jürgens – 1 Euro (in Worten: einen Euro). Wird ein Song über Google angefordert, gehen Komponisten und deren Erben überhaupt leer aus. Und das, obwohl die Online-Plattformen mit der Musik dieser Komponisten Milliarden umsetzen. Genau das soll sich durch die in dieser Woche beschlossene EU-Reform des Copyrights ändern.

Hofmannsthals Erben

Richard Strauss’ Werke werden in allen großen Opernhäusern weltweit aufgeführt, wofür die Nachfahren durchschnittlich 13 bis 17 Prozent der Einnahmen durch den Kartenverkauf erhalten. Das sind pro Vorstellung an der Wiener Staatsoper rund 15.000 Euro, die sich die Erben nach Strauss mit denen seines Textdichters Hugo von Hofmannsthal und dem betreffenden Musikverlag zu je einem Drittel teilen müssen.

Zehn Euro pro Lied

Es geht also um viele Millionen, die Jahr für Jahr auf das Konto der Strauss-Familie gelangen. Weiters erhält sie für jedes in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (ORF, ARD, ZDF, BBC etc.) gespieltes Lied rund zehn Euro. Das klingt nicht viel, läppert sich aber bei regelmäßiger internationaler Wiedergabe in beachtliche Höhen. „,Salome“ und ,Der Rosenkavalier“ erklingen eigentlich immer irgendwo in der Welt“, sagte Enkel Christian Strauss einmal. Und er weiß, wovon er spricht.

In der Wiener Staatsoper bestreitet man, dass Richard Strauss 2018 bewusst weniger aufgeführt wurde als in den Jahren davor. Schaut man jedoch auf den Spielplan, fällt auf, dass im Jahr 2017 „Der Rosenkavalier“, „Elektra“ und „Salome“ 23 Mal gegeben wurden, während Strauss 2018 nur noch vier Mal („Elektra“) im Repertoire stand. Kein Wunder: Die Direktion hatte im Vorjahr und auch heuer für Strauss noch Tantiemen zu zahlen, ab nächstem Jahr nicht mehr.

Keine Sorgen

Man muss sich um die Strauss’schen Nachfahren dennoch keine Sorgen machen, waren die Einnahmen in den vergangenen Jahrzehnten doch so üppig, dass noch ein paar Generationen davon werden leben können.

Geschäftstüchtig war Richard Strauss schon, als er 1919 Direktor der Wiener Staatsoper wurde. Die Republik wollte ihm einen auf 90 Jahre befristeten Pachtgrund im Park des Belvedere-Schlosses zur Verfügung stellen, auf den er ein Haus bauen sollte. Doch Strauss bestand darauf, dass der Grund in sein Eigentum übergehen würde. Auf diesem errichtete er dann eine palaisartige Villa, die 1926 fertig wurde – als er längst nicht mehr Operndirektor war. Das prunkvolle Gebäude ist nach wie vor im Besitz der Familie Strauss und an die niederländische Botschaft vermietet, als deren Residenz es heute noch dient.

Verbesserungswürdig

Kritiker finden trotz allen Fortschritts die Urheberrechtsbestimmungen verbesserungswürdig: Während Nachfahren für alle Zeiten Eigentümer einer Liegenschaft ihrer Ahnen und Urahnen bleiben können, müssen die Erben eines Komponisten oder Textdichters nach 70 Jahren auf den Wert des geistige Eigentums verzichten.

Das hat aber mit Google & Co gar nichts zu tun.georg.markus

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