Wo man sich „Wia z’Haus“ fühlt
Speiskarte brauchte man keine, in jenen Tagen, als sich das Wirtshaus immer größerer Beliebtheit zu erfreuen begann. Wozu auch: Es gab ohnehin nur Gulasch, Schnitzel, Schweinsbraten, Frankfurter. Heute gibt es weniger Gasthäuser, doch die verbliebenen haben deutlich an Auswahl und Qualität gewonnen. Demnächst stehen Wiens Schankbetriebe und ihre Kultur im Mittelpunkt der 23 Wiener Bezirksmuseen. In alten Fotografien werden die schönsten Lokale des jeweiligen Bezirks gezeigt und deren Geschichten erzählt. Da finden sich Bilder vom bürgerlichen Wirtshaus „Zum grünen Thor“ in der Josefstadt, vom größten Gastgarten „Weigl’s Dreherpark“ in Meidling, von der „Schwersten Wirtin“ Maria Lahola in der Ausstellungsstraße und von vielen anderen.
Mit Familie
„Einkehrgasthöfe“, die vor allem für Reisende gedacht waren, gibt’s schon viel länger, doch die familienfeindlichen Stehwein-Hallen der Wiener wurden erst um das Jahr 1800 vermehrt von Wirtshäusern abgelöst, in denen man auch warme Mahlzeiten zu sich nehmen und Frau und Kinder mitbringen konnte.
Naturgemäß boten die Wirte in den biedermeierlichen Vororten ihre Speisen und Getränke wesentlich billiger an als ihre Kollegen in der Stadt. Und so nützten die Wiener die Sonntage zu Ausflügen an die Peripherie, wobei sich das nahe Neulerchenfeld besonderer Beliebtheit erfreute. Der Vorort nahm einen großen Aufschwung und wurde wegen seiner vielen Lokale „des Heiligen Römischen Reichs größtes Wirtshaus“ genannt.
Von den 156 Häusern, die es in Neulerchenfeld gab, beherbergten die Hälfte – genau 83 Häuser – konzessionierte Schankbetriebe. An schönen Sommertagen vergnügten sich bis zu 16.000 Wiener in den Gasthausgärten des Ortes. Ein beliebtes Lokal war die „Rote Breze“, in der ab 1838 die Kapellen von Lanner und Strauss Vater aufspielten.
Übel beleumundet
Die Neue Illustrierte Zeitung berichtete 1879, dass laut Polizeibericht in Wien insgesamt 6.080 „öffentliche Locale“ (Gaststätten, Bierhallen, Kaffeehäuser, Volksküchen, Branntweinschänken, Suppenanstalten und Hotels) registriert waren. Heute gibt es in Wien 8.000 Gastronomiebetriebe (aber fast vier Mal so viele Einwohner wie damals). Die Frage, warum die Wiener so gerne auswärts „tschechern“ gingen, wusste schon der trinkfreudige Knieriem in Nestroys „Lumpazivagabundus“ zu beantworten: „Im Haus schmeckt einem der beste Trunk nicht, im Wirtshaus muss man sein, das ist der Genuss, da ist das schlechteste G’söff ein Hautgout.“
Des Kaisers Wirtshaus
Die Speisen der Gasthöfe wurden nicht nur von den „kleinen Leuten“ geschätzt. Selbst Kaiser Franz Joseph labte sich mit Wirtshauskost. Er selbst konnte natürlich nicht in eine „Restauration“ gehen, aber er ließ sich jeden Tag aus dem hofburgnahen Michaeler Bierhaus zum Gabelfrühstück ein paar Frankfurter mit einem Seidl Bier bringen.
Apropos. Wiens erstes Bräuhaus öffnete bereits im Jahr 1416 seine Pforten. Bier wurde zum Lieblingsgetränk der Wiener, sein Konsum war doppelt so groß wie der Weinverbrauch.
Bemerkenswert sind heute noch existierende Traditionslokale wie der „Rathauskeller“ und das „Griechenbeisl“ in der Innenstadt, das „Schweizerhaus“ im Prater und das Kaffeehaus der Wienerlied-Legende „Schmid-Hansl“ in Währing.
Gasthaus-Schließen
Als während des Ersten Weltkriegs die Männer ins Feld zogen, schlossen viele Wirtshäuser – großteils für immer. Die Zeit, da es an einer Kreuzung bis zu drei Gasthöfe gab, war vorbei, aber es gibt immer noch viele. Und man besucht sie nicht nur der Nahrungs- und Genussmittelaufnahme wegen, sondern auch als Ort der Geselligkeit, um am Stammtisch mit Gleichgesinnten vom Spar-, Gesangs-, Briefmarken- oder Sportverein zu kommunizieren.
Italiener und Chinesen
Die Entwicklung der Gastronomiebetriebe zeigt den Konjunkturaufschwung der Zweiten Republik. Gab es laut Wirtschaftskammer im Jahr 1978 in ganz Österreich 15.000 Gasthäuser, so sind es heute nur noch 8.000. Dafür ist die Zahl der teureren Restaurants in dieser Zeit von 1.000 auf 9.000 gestiegen. Mit anderen Worten: Der Österreicher ist heute bereit (und in der Lage), für Speis und Trank wesentlich mehr Geld auszugeben als vor 40 Jahren. Insgesamt stieg die Zahl der Gastronomiebetriebe in diesen Jahren von 35.000 auf fast 60.000. Wobei italienische, chinesische und japanische Restaurants den höchsten Zuwachs melden. Auf Kosten der Dorfwirtshäuser und der „Beisln“ ums Eck.
Das Nobelbeisl
Übrigens hat der Ausdruck Beisl in den vergangenen Jahrzehnten eine ganz andere Bedeutung erhalten. Galten sie früher als „Lokale niederer Güte“, so sind sie heute oft als „Nobelbeisln“ sehr beliebt.
Aber egal, ob Beisl, Gasthaus oder feines Restaurant: Fest steht, dass sich der gelernte Österreicher trotz vieler Veränderungen im Wirtshaus „Wia z’Haus“ fühlt.
Damals wie heute.
Ausstellung
In den Wiener Bezirksmuseen: „Zu Gast in Wien. Gasthäuser, Beisln und Cafés“, ab 17. März, dem „Tag der Wiener Bezirksmuseen“. www.bezirksmuseum at
Buchtipp Hans Werner Bousska: „Zu Gast in Wien. Beisl, Restaurants und Kaffeehäuser in historischen Bildern“, Sutton Verlag, 2019.
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