Nicht nur in der Bundeshymne wurden die großen Töchter lange nicht erwähnt. Was wohl daran lag, dass Frauen früher kaum Chancen hatten, Geschichte zu schreiben, ihnen blieb im Wesentlichen die Rolle als Hausfrau und Mutter vorbehalten. Einige Frauen haben sich dennoch durchgesetzt und in ihren jeweiligen Berufen Großes geleistet.
Ziemlich unbestritten wird man Maria Theresia als große Österreicherin gelten lassen. Zu ihren Verdiensten zählen die Einführung der Schulpflicht, Verwaltungs-, Heeres- und Justizreformen, sie förderte Industrie und Handel, ließ das erste Papiergeld drucken, baute neue Verkehrswege und trat für eine Annäherung des Bürgertums gegenüber dem Adel ein.
Für den Weltfrieden
Ebenso unzweifelhaft ist die Bedeutung der Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die sich mit unglaublichem Enthusiasmus – aber leider erfolglos – für den Weltfrieden einsetzte. Auch wenn sie 1843 in Prag zur Welt kam, kann man sie als Österreicherin „durchgehen“ lassen, weil Böhmen damals Teil der k. k. Monarchie war. Ließe man die außerhalb Österreichs gelegenen Kronländer nicht gelten, sähe es nämlich auch bei den „großen Söhnen“ traurig aus. Dann kämen uns Sigmund Freud, Gustav Mahler, der Feldmarschall Radetzky, Franz Lehár, Ferdinand Porsche, Billy Wilder und viele andere abhanden.
So gesehen kann man auch die in Mähren geborene Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach problemlos in die Reihe der großen Österreicherinnen aufnehmen.
Schwieriger verhält es sich schon mit der bedeutenden Malerin Angelika Kauffmann, die 1741 als Tochter eines Österreichers in Chur in der Schweiz zur Welt kam.
Zweifellos aus Österreich war die in Wien geborene Kernphysikerin Lise Meitner, die aber – wie viele andere – aus ihrer Heimat vertrieben wurde und ab 1938 im Exil in Schweden tätig war. Sollen, dürfen wir uns mit den Namen geflüchteter Frauen schmücken?
Keine Chancen
Nun ist’s aber auch schon vorbei mit den großen Österreicherinnen, auf die Paula von Preradović sich in der Bundeshymne hätte berufen können, wären ihr für den Text neben den großen Söhnen auch Töchter eingefallen.
Warum gibt’s so wenig Frauen, die in Österreich Geschichte schrieben?
Nun, wir wissen nicht, wie vielen es verwehrt blieb, als Wissenschafterinnen, Künstlerinnen, Politikerinnen oder in anderen Bereichen groß zu werden, weil man ihnen in früheren Zeiten keine Chance ließ, erfolgreich zu sein. Für Frauen gab es keinerlei berufliche Karrieren, sie hatten sich um Haus und Kinder zu kümmern. Stammten sie aus armen Schichten, „durften“ sie niedrige Tätigkeiten ausführen, Adel und Bürgertum waren aus dem Arbeitsprozess ausgeschlossen.
Kein Studium für Frauen
Die Möglichkeit zu studieren gab es für Frauen lange nicht. Während das „schwache Geschlecht“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits an fast allen Universitäten Europas zugelassen war, erhielten Österreichs Frauen nach wie vor keine Studienerlaubnis. Der Fall der Kärntnerin Gabriele Possanner, die unbedingt Medizin studieren wollte, ist ein leuchtendes Beispiel dafür: Da ihr als Frau der Besuch einer österreichischen Universität versagt blieb, studierte und promovierte sie 1894 in Zürich. Danach kämpfte sie jahrelang erfolglos um Anerkennung ihres Doktorgrades in Österreich. Erst durch einen „Gnadenakt“ Kaiser Franz Josephs durfte sie das komplette Studium an der Universität Wien noch einmal absolvieren, ehe sie im Alter von 37 Jahren Österreichs erste Ärztin wurde.
Noch ferner blieb die Möglichkeit, in die Politik zu gehen. Denn Frauen durften hierzulande bis 1919 nicht einmal wählen (geschweige denn gewählt werden). Abgesehen von wenigen Ausnahmen setzte die tatsächliche Chance für Österreicherinnen, „große Töchter“ zu werden, erst in der Zweiten Republik ein. Und sie nützten sie dann auch:
Margarete Schütte-Lihotzky (Schöpferin der modernen Einbauküche).
Sport
Die Skirennläuferinnen Annemarie Moser-Pröll, Petra Kronberger und Anna Veith sowie Österreichs erfolgreichste Schwimmerin Mirna Jukić (die 1999 aus Kroatien eingewandert ist).
Politik
In der ÖVP: Grete Rehor (Österreichs erste Ministerin, 1966–1970), Liese Prokop (Innenministerin, auch als Leichtathletin erfolgreich). In der SPÖ: Hertha Firnberg (Wissenschaftsministerin), Johanna Dohnal (erste Frauenministerin).
Theater, Oper, Film, TV
Romy Schneider, Maria Schell, Birgit Minichmayr, Senta Berger, Christiane Hörbiger, Paula Wessely. Bei Letzterer wird hinterfragt, ob sie wirklich eine „große Tochter“ war. Ihre schauspielerische Leistung ist unbestritten, ihre Rolle in der NS-Zeit war weniger ruhmreich, spielte sie doch die Hauptrolle in dem Propagandafilm „Heimkehr“. Weltweit erlangten Hedy Lamarr, Elisabeth Bergner und die Opernsängerin Maria Jeritza hohes Ansehen.
Bliebe noch die Dichterin Paula von Preradović. Kann man sie als große historische Persönlichkeit bezeichnen, wenn sie in der Bundeshymne auf die Frauen vergessen hat?
Eher schon, denn als sie 1946 den Text zur österreichischen Hymne verfasste, war kaum noch von Frauen die Rede, die Geschichte geschrieben hatten. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert.
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