Nach Lagerfelds Tod: Die größten Modezaren der Geschichte
Der 15. Juli 1997 war ein düsterer Tag in der Modewelt. Gianni Versace, einer der Großen seines Fachs, kam vom Zeitungskauf zurück in seine Villa in Miami, als ein junger Mann mehrere Schüsse auf ihn abfeuerte. Zwei Kugeln trafen den Stardesigner in den Kopf, er sackte auf den Stufen seines Hauses zusammen und war sofort tot. Versace nimmt in der Geschichte der Mode einen der ersten Plätze ein, neben weiteren Ikonen wie Coco Chanel, Christian Dior, Yves Saint Laurent, Pierre Cardin und dem in dieser Woche verstorbenen Karl Lagerfeld.
Wer hatte Interesse einen Modezaren zu ermorden? Die Tat wurde nie restlos geklärt, es ist nicht einmal sicher, ob Opfer und Täter einander gekannt haben. Fest steht, dass der Mörder ein 27-jähriger Callboy war, der zuvor mehrere Menschen erschossen hatte. Eine Woche nach dem Mord an Versace nahm er sich mit derselben Waffe selbst das Leben.
Versace und die Jeans
Gianni Versace hatte als erster Modeschöpfer Jeans auf den Laufsteg gebracht und mit ungewöhnlichen Farbzusammenstellungen Aufsehen erregt. Seinen internationalen Durchbruch feierte er in den 1980er-Jahren von Mailand aus.
Mailand ist – neben Paris – die Modemetropole, doch der Mann, der sich als erster vom Begriff Schneider löste, um „Couturier“ zu werden, kam aus England. Er hieß Charles F. Worth und reiste 1845 an die Seine, um dort sein Glück in der Modewelt zu suchen. Er begann als Türsteher in einem kleinen Stoffgeschäft und besuchte abends frivole Vaudeville-Shows, in denen Tänzerinnen all das zeigten, was die Dame von Welt verstecken musste: Ihre Beine waren nackt und die Brüste nur von hauchdünnen Schleiern verhüllt.
Verführerisches
Warum, überlegte Worth, sollen Frauen nicht auch im Alltag Verführerisches tragen? Bald zählte die Edelkurtisane Marie Duplessis – die als Kameliendame in die Literaturgeschichte einging – ebenso zu seinen Kundinnen wie die Schauspielerinnen Eleonore Duse und Sarah Bernhardt. Als Pauline Metternich, die Frau des österreichischen Botschafters, am Pariser Hof in einem Worth-Kleid erschien, war Frankreichs Kaiserin Eugénie so angetan, dass auch sie bei ihm einkaufte.
Über Nacht berühmt geworden, veranstaltete Charles Worth die weltweit erste Modeschau – und er zeigte darin seine Kollektion, vorgeführt vom schönsten Modell von Paris, das er bald heiraten sollte. Auch mit der Hochzeit bewies Worth, dass er damals schon die Selbstvermarktung späterer Modezaren beherrschte. Die Eröffnung des Maison Worth in der noblen Pariser Rue de la Paix im Jahr 1858 gilt heute noch als Geburtsstunde der Haute Couture.
Chanel erregt Aufsehen
Eine junge Französin namens Coco Chanel war es dann, die erkannt hat, was die Frau des neuen Jahrhunderts begehrte. Alles in Coco Chanels Leben erregte Aufsehen, ihre Mode ebenso wie ihr Privatleben. Die uneheliche Tochter einer Wäscherin hatte durch adelige Liebhaber auf sich aufmerksam gemacht und mit ihrer betont schlichten Linie die Welt erobert.
Sie hatte 4000 Mitarbeiter und gelangte zu sagenhaftem Reichtum – doch ihr großer Wunsch, den Mann fürs Leben zu finden, ging nicht in Erfüllung: Mit dem russischen Großfürsten Trubezkoj verlebte sie wilde Monate an der Côte d’Azur, aber kurz vor der Hochzeit machte ihr eine Ölmilliardärin einen Strich durch die Rechnung. Diese war aus Texas angereist, um bei Chanel ganze Wagenladungen schicker Kostüme zu kaufen, doch leider nahm sie auch gleich den Großfürsten mit in die USA.
Ehekandidat Nr. 2 war der Herzog von Westminster. Er empfahl sich, als Winston Churchill ihm riet, lieber eine standesgemäße Frau statt „diese kleine Schneiderin“ zu ehelichen. Ihr dritter Verlobter brach während eines Tennisspiels vor Cocos Augen tot zusammen.
Je trister ihr Privatleben, desto mehr stürzte Chanel sich in die Arbeit. Egal, was sie kreierte – ob das „kleine Schwarze“, ob das Chanel-Kostüm (mit Salzburger Wurzeln), ob Parfums, Taschen oder Schuhe – alles wurde zu Gold. Die von ihr geprägte Linie blieb – betreut von Karl Lagerfeld – in den Grundzügen bis heute unverändert.
Coco verstand es, immer im Gespräch zu bleiben, allerdings nicht nur im Positiven: So provozierte sie während des Zweiten Weltkriegs die notleidende Bevölkerung, als sie sich von ihrem ständigen Wohnsitz im Luxushotel Ritz aus mit dem Rolls-Royce herumchauffieren ließ. Und als Paris von den Nationalsozialisten besetzt war, hatte sie eine Affäre mit einem deutschen Diplomaten, für den sie als Spionin tätig war. Deshalb wurde sie nach dem Krieg verhaftet, aufgrund ihrer weitreichenden Beziehungen jedoch bald wieder freigelassen.
Christian Dior
Christian Dior war es, der mit seinem „New Look“ nach dem Krieg Aufsehen erregte. Alle seine Entscheidungen wurden von einer Wahrsagerin mitbestimmt, die ihm schon nach der Gründung seines ersten Geschäfts prophezeit hatte: „Dieses Haus wird die Mode revolutionieren.“ Nach seinem Tod mit 52 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts nahm dessen „Kronprinz“ Yves Saint Laurent Diors Platz in der Modewelt ein. Yves’ Kollektionen galten anfangs als skandalös, da er als einer der ersten Modeschöpfer transparente Oberteile und somit den „Nude-Look“ schuf. Später kreierte er den Hosenanzug für Frauen, „Le Smoking“ genannt.
Fred Adlmüller
Österreichs Bedeutung in der Modewelt hält sich in Grenzen. Lange zählte Helmut Lang zu Europas führenden Designern, doch er hat sich 2005 aus der Branche zurückgezogen. Und bis zu seinem Tod im Jahr 1989 machten die Modeschöpfungen von Fred Adlmüller Furore. Er hatte Soraya von Persien, Königin Sirikit von Thailand und weitere First Ladys aus aller Welt eingekleidet, aber auch Filmstars wie Hildegard Knef, Curd Jürgens, Zarah Leander und Paula Wessely. Seine feinen Roben schafften es sogar auf die Bühne der Metropolitan Opera in New York.
Mit Karl Lagerfeld ist einer der letzten Kaiser der Modebranche dahingegangen. Es bleiben nur noch wenige ganz Große, unter ihnen Vivienne Westwood, Valentino, Giorgio Armani und Pierre Cardin, der 96-jährig in der Nähe von Paris lebt.georg.markus
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