Der Klimt-Krimi: Schnäppchenjäger hofft auf Millionen
Es ist der Traum jedes Schnäppchenjägers: Ein Hobbysammler ersteigerte übers Internet für 150 Euro drei Bilder, von denen eines, wie er meint, vom Wiener Malerfürsten Gustav Klimt stammt. Geschätzter Wert: 50 Millionen Euro. Der glückliche Käufer ist sich seiner Sache ganz sicher und verweist auf Expertisen, die seine Annahme zumindest nicht für ausgeschlossen halten. Eine große britische Zeitung berichtete wohlmeinend und sorgte mit der Story für Aufsehen. Aber ist der Holländer Alexander Wetzel, der einen „echten Klimt“ erworben haben will, wirklich ein Glückspilz, der über Nacht zum Millionär wurde, oder bleibt die Sensation ein Wunschtraum?
Klimts Enkel
An mich wurde der Fall durch ein Mail herangetragen, das mir Herr Wetzel, der Käufer des Bildes, vor einer Woche schickte. Er hatte das Interview gelesen, das ich Anfang des heurigen Klimt-Jahres – man begeht den 100. Todestag des Malers – mit Klimts Enkel Gustav Zimmermann im KURIER veröffentlichte, und er bat mich, einen Kontakt zu ihm herzustellen. Als Grund gab der 41-jährige Kaufmann und Kunstliebhaber aus Den Haag an, 2016 für ein paar Euro ein bislang unbekanntes Bild ersteigert zu haben, das Klimts Muse und Lebensgefährtin Emilie Flöge zeigen würde. Da wurde ich neugierig.
Es handle sich, erklärte mir Herr Wetzel, um ein Gemälde Öl auf Holz, 24x18 cm groß. Sobald er erkannt hätte, dass das Bild Emilie Flöge zeigt, war Herrn Wetzel klar, dass nur Klimt als Schöpfer infrage käme, „denn nur er hat Emilie Flöge gemalt“. Das Bild stamme aus dem Jahr 1910, als Klimts Atelier in der Josefstädter Straße 21 lag.
In der Folge schickte mir Herr Wetzel zwei Expertisen:
Expertise Nr. 1 Die erste stammt von Gottfried Matthaes vom Laboratorium des Museums für Kunst und Wissenschaft in Mailand, an das sich angeblich die italienische Polizei wendet, wenn es darum geht, gefälschte von echten Bildern zu unterscheiden. Das Gutachten bestätigt nicht, dass das Bild von Klimt ist, aber Matthaes kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, „dass das Gemälde bezüglich Alter, Zustand und Zusammenstellung im frühen 20. Jahrhundert zu datieren“ ist, also keine nachträglich angefertigte Fälschung sein könne.
Expertise Nr. 2 Die zweite Expertise stammt von der Forensik-Künstlerin Lois Gibson in Texas/USA. Sie will im Auftrag von Herrn Wetzel herausgefunden haben, dass die Gesichtszüge auf dem Ölbild mit denen der Emilie Flöge übereinstimmen. „Die Gesichtsanatomie ist so exakt, dass eine Fotografie der Emilie Flöge und das Gemälde identisch sind. Der einzige Unterschied liegt in der Kopfposition.“ Nach Vergleichen von Kiefer- und Knochenstruktur attestiert Lois Gibson: „Es ist definitiv Emilie Flöge!“
Die beiden Expertisen genügten der Kunstbeilage der angesehenen britischen Zeitung The Telegraph, am 3. Juni 2018 eine vierseitige Reportage zu veröffentlichen, in der die Frage gestellt wird, „ob dieses schmuddelige alte Bild tatsächlich ein verloren geglaubtes Porträt von Gustav Klimts Geliebter“ sein könne. In dem Artikel behauptet die Autorin Alix Kirsta, dass das Porträt einem Bild ähnelt, das Klimt 1893 von Emilie Flöge angefertigt hätte.
Recht viele Indizien also, die wert sind, dem Fall nachzugehen. Also wandte ich mich an Peter Weinhäupl und Sandra Tretter von der Wiener Gustav Klimt Foundation, zwei ausgewiesene Kenner der Materie. Die beiden hielten die Kopie des Bildes keine drei Minuten in Händen und kamen einvernehmlich zu dem Schluss: „Das ist kein Klimt. Und die Frau auf dem Bild ist nicht Emilie Flöge!“
Kein Einzelfall
Damit hätte ich die Geschichte ad acta legen können, hätten die Klimt-Forscher nicht hinzugefügt, dass es sich bei dem „Klimt-Krimi“ keineswegs um einen Einzelfall handle: „Es tauchen immer wieder Bilder auf, die Klimt, aber auch Schiele und anderen großen Malern zugeschrieben werden.“ So ein Streitfall ist etwa das Gemälde „Trompetende Putto“, das ein österreichischer Antiquitätenhändler 2012 entdeckte und durch Experten der Universität Hannover zu einem „echten Klimt“ erklären ließ. Doch da der Wiener Kunsthistoriker Alfred Weidinger dieser Meinung widersprach, bleibt der Fall ungeklärt.
Auf- und abhängen
Ähnlich verhält es sich bei dem Bild „Judith 2“, das die Art Gallery in der mährischen Stadt Ostrava besitzt. Während das zweifelsfrei echte Klimt-Bild „Judith 1“ im Wiener Belvedere hängt, scheiden sich bei „Judith 2“ die Geister. Je nach gerade aktuellem Stand der Dinge wird das Porträt in Ostrava auf- und dann wieder abgehängt.
„Das sind Grenzfälle“, erklärt Peter Weinhäupl. „Doch um einen solchen handelt es sich bei dem jetzt in Holland aufgetauchten angeblichen Emilie-Flöge-Bildnis nicht“. Und Sandra Tretter fügt hinzu: „Wenn man dieses Porträt mit Bildern, die Gustav Klimt um 1910 gemalt hat, vergleicht, sieht man auf den ersten Blick, dass da ein ganz anderer Weg beschritten wurde.“
Klimts Signatur
Nach meinem Besuch bei den Experten der Klimt Stiftung teilte ich Herrn Wetzel mit, dass sein Klimt wohl doch kein Klimt sei. Der Kunstsammler aus Den Haag blieb gefasst, zumal er damit gerechnet hätte, „dass Experten zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen“. Weiters teilte er mir mit, dass sein Mailänder Gutachter Matthaes auf dem linken unteren Bildrand mittels Scans und Röntgenaufnahmen eine mit freiem Auge nicht erkennbare Signatur Gustav Klimts entdeckt hätte, die demnächst von einem renommierten Signaturforscher überprüft würde.
Herr Wetzel gibt also nicht auf. In der Wiener Klimt Foundation lächelt man milde und wartet auf den nächsten „echten Klimt“. Der kommt ganz sicher.
PS: Klimts Enkel Gustav Zimmermann teilte mir übrigens mit, dass er nichts dagegen hätte, Herrn Wetzel kennenzulernen. Egal, ob sein Klimt echt ist oder falsch.
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