Geschichte der Jahrhundertwende
In "Alma – A Show Biz ans Ende", vor zwei Jahrzehnten uraufgeführt, porträtieren Paulus Manker und Joshua Sobol die Komponistin Alma Mahler-Werfel, die auch Oskar Kokoschka, Alexander Zemlinsky, Gustav Klimt und Walter Gropius den Kopf verdreht hatte. Nun taucht Alma wieder in einem Stück auf – wenn auch nicht als Star, so doch als Höhepunkt.
Die Tochter von Emil Jakob Schindler hatte Gustav Mahler, damals Direktor der Hofoper, im Salon der Berta Zuckerkandl kennengelernt, den die Journalistin zunächst in einer Villa in Döbling und ab 1917 in ihrer Wohnung in der Oppolzergasse 6, vierter Stock rechts, über dem Café Landtmann, führte.
Berta Zuckerkandls Vater war Moriz Szeps, einer der einflussreichsten liberalen Journalisten der Monarchie, ihr Ehemann der Anatomieprofessor Emil Zuckerkandl. Über ihre Schwester, die Paul Clemenceau, den Bruder des nachmaligen französischen Ministerpräsidenten, geheiratet hatte, war Zuckerkandl, 1864 geboren, außerdem eng mit dem politischen und kulturellen Leben Frankreichs verbunden. In der NS-Zeit gelang ihr die Flucht nach Algier; wenige Monate nach Ende des Weltkriegs starb sie in Paris.
Mitte der 1980er-Jahre erschien das Buch "In meinem Salon ist Österreich" über Berta Zuckerkandl von Lucian O. Meysels. Irgendwann fiel es Beatrice Gleicher in die Hände. Fasziniert von dieser unglaublichen Frau erstellte die Schauspielerin auf Basis derer Tagebücher ein Theaterstück. Nun brachte sie dieses unter dem Titel "Willkommen in meinem Salon. Berta Zuckerkandl" in der soliden Regie von Erhard Pauer zur Uraufführung.
Prächtiges Palais
Als Aufführungsort wählte Gleicher das barocke (und daher nicht ganz passende, aber prächtige) Palais Schönburg auf der Wieden: Das Publikum wandert mit der Gastgeberin durch mehrere Räume. Und wie bei "Alma" gibt es in der Pause ein "Diner". Im Gegensatz zu Sobols "Polydrama" mit parallel ablaufenden Szenen erzählt Gleicher die Geschichte der Jahrhundertwende, als Wien modern war, aber mehr oder weniger chronologisch nach.
Der Abend beginnt stark: Andreas Peer stürzt als Alexander Girardi ins Foyer, um Berta Zuckerkandl von der neuen Liebe vorzuschwärmen. Und es folgen mehrere dichte Szenen, etwa wenn Otto Wagner, Gustav Klimt und Josef Olbrich über ihre Ideen für die Secession berichten. Oder wenn die herausragende Katharina Dorian als mutige Alma auf den arroganten wie perplexen Mahler (Dominik Kaschke) trifft: Dann knistert es spürbar.
Da für diese aufwendige Produktion mit Klavierbegleitung unverständlicherweise keine Subvention gewährt wurde, ist das Budget etwas eng: Alle Schauspieler (bis auf Gleicher als Berta) müssen etliche Rollen übernehmen. Ein Kostüm macht aber noch keinen Charakter. Und leider werden viele Geschichten – bis hin zur Gründung der Salzburger Festspiele durch Max Reinhardt – nur angerissen. Aber wer das Theater in Reichenau liebt, der wird mit diesem Abend seine helle Freude haben.
Info: Bis 17. November.
Kommentare