Gerhard Roth: Spurensuche bis in die Wurmlöcher

Mikroskopieren ohne Mikroskop: Fotografie von Gerhard Roth
Neue Fotos des Schriftstellers mikroskopieren das Alltägliche. Das Übersehene.

Aus der Nähe betrachtet, sieht alles ganz anders aus. Sagt der Gerhard Roth und nimmt seinen Fotoappart.

Am Alltäglichen ist er interessiert. Aber er wechselt das Motiv. Also nicht wie der Salzburger Schriftstellerkollege Walter Kappacher, der jahrelang immer "nur" das Schilf am Grabensee bei Obertrum fotografiert hat.

Und Roth sagt niemals vor, was er selbst in seinen Bildern wahrnimmt (= was man zu sehen hat). Nicht so wie der Grazer Schriftsteller Clemens J. Setz, der einen Wasserfleck auf einer Mauer fotografiert und dem Bild gleich einen Namen gibt, "lauernder Katzenpfau".

Früher waren Fotos für Gerhard Roth wie Notizzettel für die Romane, die er schrieb. Seit etwa zehn Jahren liegt dem Steirer mehr am Mikroskopieren ohne ein Mikroskop.

Der neue Fotoband "Spuren" zeigt es: Er versucht, eine andere Wirklichkeit sichtbar zu machen. Er ist Fährtenleser, Spurensucher, damit gesehen wird, was sonst übersehen wird.

Im Hässlichen entdeckt er das Schöne, im Kleinen das Besondere. Das kann ein rostiges Sägeblatt sein, das der mittlerweile 75-jährige näher heranzieht.

Galaktisch

Risse können es sein. Ränder. Grenzen.. Gerhard Roth ist Weltenbummler zwischen seiner Außenwelt und seiner Innenwelt – und wer sich auf diese Fotografien einlässt, wird zum Weltenbürger von noch unerforschten Ländereien des Mikrokosmos.

Holz bekommt Ähnlichkeit mit einem Alligatorenkopf, einfache Luftbläschen werden galaktisch , Schatten benehmen sich wie Buchstaben, ein altes Ölfass ist plötzlich Globus, Wurmlöcher bringen Botschaften aus dem All, beim Zwang zum Entziffern könnte dann allerdings ärztliche Hilfe notwendig sein.

Neu ist: Manchmal bearbeitet der Künstler die Fotografien digital. Gibt ihnen Farben. Holt dadurch das Letzte heraus sozusagen und erzeugt Dramatik.

Viele Bilder sehen deshalb nach Krankheit aus. Als Roth als Kind krank war, hat er oft lange in die Wolken geblickt. Das Unsichtbare hat seit damals viele Gesichter, auch den Tod bringende.

INFO: Im Literaturhaus Graz sind die Fotografien bis 8. März ausgestellt. Montag bis Donnerstag 16 – 19 Uhr, Sonntag 10 – 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Gerhard Roth: „Spuren“ Aus den Fotografien von 2007 bis 2017. Herausgegeben von Daniela Bartens und Martin Behr in Zusammenarbeit mit dem Franz-Nabl-Institut.
Residenz Verlag.
160 Seiten.
25 Euro.

Kommentare