Georg-Büchner-Preis geht an Emine Sevgi Özdamar

Georg-Büchner-Preis geht an Emine Sevgi Özdamar
Die Schriftstellerin erhält die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung, eine der wichtigsten für deutschsprachige Literatur

Der Georg-Büchner-Preis 2022 geht an die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar. Das gab die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am Dienstag bekannt. Die in der Türkei geborene Literatin folgt damit auf den Österreicher Clemens J. Setz, der den Preis im Vorjahr erhalten hatte. Sie ist die erste Trägerin des Preises, deren erste Sprache Türkisch ist. Die Auszeichnung ist mit 50.000 Euro dotiert und wird am 5. November in Darmstadt verliehen.

"Mit Emine Sevgi Özdamar zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine herausragende Autorin aus, der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound verdankt", hieß es in der Begründung der Jury. "Einst aus der Türkei ins geteilte Berlin gekommen, bereichert Özdamar seit über drei Jahrzehnten die deutschsprachige Literaturszene mit ihren Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, zuletzt mit dem Opus magnum ‚Ein von Schatten begrenzter Raum‘. Ungewohnte literarische Stilmittel und aus dem Türkischen inspirierte Sprechweisen prägen ihre multiperspektivischen Texte, die neben intimen persönlichen Erfahrungen ein breites Panorama deutsch-türkischer Geschichte entfalten − vom Ersten Weltkrieg über die Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre bis in unsere Gegenwart. Emine Sevgi Özdamars Werk eröffnet einen zugleich intellektuellen wie poetischen Dialog zwischen verschiedenen Sprachen, Kulturen und Weltanschauungen, an dem wir lesend teilhaben dürfen."

Emine Sevgi Özdamar, geboren am 10. August 1946 in Malatya/Türkei, wuchs in Istanbul und Bursa auf. 1965 kam sie erstmals nach West-Berlin. Zurück in Istanbul nahm sie von 1967 bis 1970 Schauspielunterricht und erhielt erste professionelle Rollen in Stücken von Bertolt Brecht und Peter Weiss. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 mit Massenverhaftungen und Zensur ging Özdamar 1975 erneut nach Berlin und wurde Assistentin des Brecht-Schülers Benno Besson und des Regisseurs Matthias Langhoff an der Ost-Berliner Volksbühne. Ihre Arbeit führte sie weiter nach Paris und Avignon, dann von 1979 bis 1984 ans Bochumer Schauspielhaus unter der Intendanz von Claus Peymann. In diese Zeit fällt auch der Beginn ihres Schreibens mit dem 1982 erschienenen Theaterstück "Karagöz in Alemania". Romane, Erzählungen und weitere Theaterstücke folgten.

Bachmann-Preis 1991

1991 gelang Özdamar mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis der literarische Durchbruch. Der ausgezeichnete Text war ein Auszug aus ihrem von der Kritik als bahnbrechendes, literarisches Ereignis gefeierten Romanerstling "Das Leben ist eine Karawanserei - hat zwei Türen - aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus", der 1992 erschien. 1998 folgte ihr zweiter Roman »Die Brücke vom Goldenen Horn" und schließlich 2003 der Abschluss der Trilogie "Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding – Pankow 1976/77". Die autobiografischen Romane, für die die Autorin vielfach ausgezeichnet wurde, spielen in Istanbul und im geteilten Berlin. Sie erzählen über die Kultur und Gesellschaft der siebziger Jahre, über politischen Aufbruch wie über politische Repression und über die Freiheit des Theaters.

Im vergangenen Jahr erweckte Özdamar erneut die Aufmerksamkeit der deutschsprachigen literarischen Öffentlichkeit mit ihrem sprachgewaltigen, fast 800 Seiten umfassenden Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum". Seit 2007 ist Özdamar Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, seit 2014 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Sie lebt in Deutschland, der Türkei und Frankreich.

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