Für Marco Wanda kommt Hemingway erst nach Lionel Messi
Als Kind hat sich Marco Wanda vorgestellt, wie es sein muss, im Wohnpark Alterlaa zu leben. Später hat er sich gefragt: „Warum hat keiner darüber gesungen?“
Jetzt tut der Wanda-Frontmann das selbst, hat für sich und seine Band den eben erschienen Song „Die Sterne von Alterlaa“ geschrieben. „Ich finde, das ist eines der fantastischsten Bauwerke weltweit“, erklärt der 34-Jährige im Interview mit dem KURIER. „Aber eigentlich ist es nur die Kulisse für eine Story über die Art, wie Albert Camus Sisyphos liest. Denn für Camus ist Sisyphos ein glücklicher Mensch, weil er eine Aufgabe hat, an der er immer wieder scheitern darf. Weil die Aufgabe nie erfüllt wird, führt sie zu einem ausgefüllten Leben. Der Protagonist in dem Song will seine Holde auf einem Balkon in Alterlaa erreichen und scheitert immer wieder daran – aber er scheitert lustvoll.“
Dass sich darin eigene Sehnsüchte zeigen, glaubt Wanda nicht. Oft hat er gesagt, dass er nach dem phänomenalen Aufstieg seiner Band mit dem Hit „Bologna“, dem Debüt-Album „Amore“ von 2014 und mit Headliner-Auftritten bei den größten Festivals Europas „weit mehr“ erreicht hat, als er sich je erträumt hat. Neue Ziele, sagt er, brauche er trotzdem nicht: „Dieses Level zu halten, ist Aufgabe genug. Und ich habe das Schreiben von Liedern. Das ist meine Aufgabe.“
Eine, der er sich jetzt voll und ganz widmen kann. Auch wenn der Wiener früher davon sprach, nach großen Tourneen in depressive Stimmungen zu verfallen – jetzt in der Corona-Krise hat er das Gegenteil erfahren. „Okay, ich kann nicht auf Tour gehen. Aber deshalb breche ich nicht nieder und weine am Küchenboden. Ich weiß ja, dass das wieder kommt. Aber früher habe ich Alben immer zwischen Tourneen geschrieben, wenn ich kurz in Wien war. Jetzt habe ich ewig Zeit dazu. Das nächste soll 2022 rauskommen, wir sind auf einem guten Weg, aber wir haben keine Deadline und keinen Druck. Und das ist super.“
Vielleicht hat Wanda deshalb so viel Text wie noch nie in „Die Sterne von Alterlaa“ gepackt. Daran, dass sich der ehemalige Literatur-Student in der Zeit der Pandemie wieder mehr mit Sprachkunst beschäftigt hat, liegt es nicht.
„Ich lese seit Jahren keine Belletristik mehr. Ich habe auch nie viel gelesen, nur immer wieder dasselbe – ,Fiesta‘ von Hemingway ungefähr 30 Mal. Da ging es darum, immer wieder zu begreifen, was er macht, dass die Sprache so fließt. Seine Mutter war Hobbypianistin und er hat eine Verbindung zwischen Musik und Literatur, zwischen Melodie und Worten und Sätzen gesehen. Von ihm habe ich alles gelernt, was ich über das Liederschreiben wissen muss.“
Er lese gern Haikus, Beispiele jener japanischen Gedichtform, die als kürzeste der Welt gilt, um die Kunst der Verknappung zu lernen, fügt Wanda hinzu. Und dass er auch von den Beatpoeten, vor allem Jack Kerouacs „On The Road“ einiges gelernt hat. „Ich hab’s auf Deutsch gelesen, vertraute den Übersetzern. Wenn Kerouac sagt, der Joint war mega, musst du dir halt denken, dass der Joint leiwand war.“
Momentan hat aber der Fußball Vorrang. Den liebt Wanda zwar nicht so sehr wie die Musik, aber mehr als Hemingway. Den Einzug des österreichischen Teams ins Achtelfinale hat er entsprechend mit „mehr als einem Achterl“ gefeiert.
„Ich wünschte, alle könnten das erleben, was ich vor zwei Jahren beim Spiel Barcelona gegen Madrid im Camp Nou Stadion in Barcelona erlebt habe: Jedes Mal, wenn Lionel Messi, der Star von Barcelona, an den Ball kam, haben alle ,Messi Messi‘ geflüstert. Je näher er zum Tor kam, desto lauter wurde das. Wenn er dann geschossen und getroffen hat, ist das Stadion explodiert. Diese Sportler geben den Menschen so viel. Sie mögen überbezahlt sein, aber sie geben den Ärmsten der Armen Mut und Hoffnung, dass man aus dem Getto rauskommen und etwas aus sich machen kann. Das kann Fußball wie nichts auf der Welt.“
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