"Fremde Überall" im Jüdischen Museum
Eduard Pomeranz. So leidenschaftlich, wie der Finanzmanager, geboren in Odessa und aufgewachsen in Wien, über seine Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst spricht, könnte er auch Kunsthändler sein.
"Das glaube ich mittlerweile auch", sagt er im KURIER-Gespräch, "weil ich zwei Welten in einer Person vereine. Die meisten Kunsttreibenden sind mehr Künstler als Business-Leute. Nur wenige sehen Kunst als Geschäft. Das ist ja verpönt. Ich komme aus der Finanzbranche und wende davon vieles auf die Kunst an. Denn die Märkte von Kunst, Aktien oder Futures funktionieren im Prinzip ähnlich."
Das Motto der Ausstellung der rund 200 Objekte umfassenden Sammlung Pomeranz im Jüdischen Museum Wien ist ein von der Künstlergruppe Claire Fontaine inszenierter Spruch: "Fremde überall".
Arbeiten über das Anderssein
Kurator Ami Barak will mit der Auswahl an Arbeiten, die sich das "Anderssein" zum Thema gemacht haben, "eine Geschichte erzählen".
Pomeranz investiert jährlich einen hohen sechsstelligen Betrag in Kunst und verleiht ständig Werke an die großen Museen der Welt: "Ich bin froh, jetzt auch in Wien zeigen zu können, was man normalerweise nur in London in der Tate Modern, in New York im Moma oder in Paris im Centre Pompidou sehen kann."
Osteuropa, Performance der 70er-Jahre, Concept & Minimal Art, Arbeiten in der Duchamp-Tradition ... Vieles erschließt sich erst auf den zweiten Blick wie in "Every Immigrant has a story to tell" des albanischen Künstlers Adrian Paci. Pomeranz: "Seine Idee vom geschönten Foto, das man nach Hause schickt, um zu zeigen, dass man es in der Fremde geschafft hat, kann ich als Emigrantenkind gut nachempfinden."
Ob ihm ein Werk gefällt, ist "so ziemlich das letzte Kriterium", das für den Sammler zählt: "Mich interessiert: Kann ich an einem Werk geistig wachsen? Mitunter kaufe ich auch etwas, was mir nicht gefällt und was ich nicht verstehe, weil ich mich dann damit beschäftigen muss. Sich mit Kunst zu umgeben, ist schön, weil man sich mit Ideen und Gedan ken auseinandersetzen muss, die anders sind als die eigenen."
Primär gehe es bei Neuerwerbungen darum: Haben Künstler und Werk die Chance, die Kunstgeschichte zu überleben? Wird sich das finanzielle Investment positiv entwickeln?
„Ich darf ja nicht das Geld meiner vier Kinder verbrennen. Also muss ich mir überlegen, was langfristig überleben wird. Da hat man doch eine Verantwortung!“
Ja, „in aller Demut“ würde Pomeranz „gern versuchen, die alte jüdische Sammlertradition, wie es sie einst in Wien gab, wieder aufleben zu lassen.“ Aber man müsse realistisch bleiben – und das Unmögliche versuchen.
Sammlung: Modern Art mit Geschichte
Ausstellung: "Fremde überall – Foreigners everywhere" zeigt die Sammlung Pomeranz, die sich mit Geschichte und Erinnern auseinandersetzt, u. a. mit Werken von Marina Abramovic, Mircea Cantor, Douglas Gordon, Sigalit Landau, David Maljkovic, Boris Mikhailov und Markus Schinwald.
Wann & Wo: 24. 5.– 7. 10. im Jüdischen Museum Wien, 1., Dorotheerg. 11; So. bis Fr. 10–18 Uhr; Katalog 19,90 €
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