Franzobels dritter Krimi: Schwarzfahren ist ein Verbrechen
Das ist kein Vergleich zu Franzobels Kriminalromanen „Wiener Wunder“ und „Groschens Grab“.
(Frei nach „My Fair Lady“ und „Es grünt so grün“:) Ich glaub, jetzt hat er’s. Ich glaub, jetzt hat er’s. Noch einmal: Wann erklingt der „Rechtswalzer“?
Wenn ein glücklicher Mensch, Malte heißt der Barbesitzer, nachdem er seinen kleinen Sohn zur Schule gebracht hat, auf der Straße ein Handy findet.
Und was macht dann das Handy? Es läutet, und Malte hebt ab, und jemand sagt: „Hör zu, Arschloch. Jetzt ist es aus mit deinem Glück ... Du bist raus, kapiert?“
Was er kann, wenn er nicht permanent originell sein will, hat Franzobel 2017 mit „Das Floß der Medusa“ bewiesen, als Menschen Menschen aufaßen.
Aber das Zwischendurch, seine Krimis, klangen falsch und wollten nicht recht in Bewegung kommen. Dem „Rechtswalzer“ hat er viele kleine Stromstöße verpasst. Manchmal sprühen sogar die Funken.
Ex-Glückspilz
Der Roman spielt nach der türkis-blauen Koalition. Dann wird’s totalitär.
Eine rassistische Partei herrscht, an der Grenze wird auf „Illegale“ geschossen, Regierungskritisches wird verboten (aber auf den Straßen gibt es keine Geschwindigkeitsbeschränkungen, das lieben die Wähler) ... und es gilt bereits als „Volksschädling“, wer ohne Fahrschein im Bus erwischt wird = Erinnerung an die „Volkschädlingsverordnung vom 5. September 1939. Der ehemalige Glückspilz landet als Schwarzfahrer im Gefängnis – und gerät sogar unter falschen Mordverdacht.
Der Roman hält sich oft in der Justizanstalt Josefstadt auf. Ebenso schaut man sich in Untergrutzenbach um, sehr korrupt dort; und auf dem Opernball war Franzobel auch – wie es jetzt heißt: dienstlich. Von Birgit Sarata war er nicht eingenommen.
Es ist viel los, hier ein toter Witwentröster, dort ein toter Lobbyist, vor dem sich die Regierung gefürchtet hat.
Der Kommissar mit dem schrecklichen Namen Groschen hat wegen seiner Arbeit und der Politik allen Grund, grantig zu sein.
Und wenn man beim Lesen noch Zeit findet, drängt sich die alte Frage in den Mittelpunkt: Was würden wir machen, wenn wir plötzlich in so einem Land leben? Auswandern? Aufmucken? Überhaupt still sein? Der Regierung applaudieren?
Tröstend ist „Rechtswalzer“ aber schon auch. Ein bisschen. Sagt ein Häftling auf Seite 232 zum anderen:
„Der Tod ist wie schlafen, aber besser, weil du nicht wegen einer vollen Blase aufstehen musst.“
Franzobel:
„Rechtswalzer“
Zsolnay Verlag.
416 Seiten.
19,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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