Die K.u.K.-Kurstadt war während der Zeit von Kaiser Franz Joseph I. – ähnlich wie Bad Aussee – ein beliebtes Ziel für jüdische Sommerfrischler und Künstler.
Die Stimmung kippte allerdings in der Lehár-Stadt früher als anderswo. Dem Nationalsozialismus nahe stehende Ischler forderten schon ab 1933 eine „arische Sommerfrische“.
Die 1961 gegründeten Operettenfestspiele sind dem anderen „Kaiser Franz“ gewidmet: Franz Lehár. Dass er – neben Richard Strauss und Richard Wagner – zu Hitlers Lieblingskomponisten gehörte, passt zur wechselvollen Geschichte des Salzkammerguts und Bad Ischls, der sich vor allem auch Elisabeth Schweeger, die künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt 2024, annehmen will.
KURIER: Seit Sie die Intendanz des Lehàr-Festivals übernommen haben, ist die jüdische Komponente des Operetten-Genres ein Generalthema. Wie sind Sie darauf gekommen?
Thomas Enzinger: Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war mir immer schon sehr wichtig. In meinem Antrittsjahr hier in Bad Ischl habe ich „Die Blume von Hawaii“ inszeniert. Damit wollte ich gleich einmal ein entsprechendes Statement setzen, indem ich die bewegende Lebensgeschichte von Paul Abraham mit auf die Bühne gebracht habe. Dazu habe ich Originalzitate des Komponisten verwendet – wie etwa einen seiner klassischen Sätze: „Nicht das Fortgehen ist das Demütigende, sondern das Ankommen in der Fremde“. Aktueller geht es ja nicht mehr, wenn man an die heutigen Flüchtlingsdebatten denkt. Zu dieser Thematik haben wir in diesem Jahr auch das Stück „Dein war mein ganzes Herz“ von Franz Lehár auf den Spielplan genommen. Dazu habe ich viel über sein Verhalten in der Nazi-Zeit recherchiert und das wird natürlich auch auf der Bühne thematisiert. Wobei ich dazu sagen muss, dass man Lehár nicht als Nazi bezeichnen konnte. Dass „Die lustige Witwe“ Hitlers Lieblingsoperette war, da kann er wirklich nichts dafür. Dass er allerdings zu den Gräueltaten der Nazis geschwiegen hat, um seine Karriere nicht zu gefährden, muss man natürlich schon unter einem kritischen Licht sehen. Es gibt aber auch Beweise dafür, dass er versucht hat, jüdischen Künstlern zu helfen. Man darf auch nicht vergessen, dass er eine jüdische Frau gehabt hat. Es waren auch schon Nazis in Lehárs Wohnung und wollten sie abholen. Er konnte das gerade noch rechtzeitig verhindern. Diese Geschichten muss man natürlich auch sehen, was aber nicht heißen soll, dass man mit ihm und seinen Werken unkritisch umgehen soll. Und die Frage: „Wie hätte ich mich selbst in dieser Zeit verhalten“ muss jeder für sich beantworten.
Warum ist Franz Lehàr nach solchen Ereignissen nicht emigriert?
Der damals ungeheuer populäre Tenor Richard Tauber hat Lehár überreden wollen, mit ihm gemeinsam zu emigrieren. Lehàr lehnte ab, weil er meinte, dafür schon zu alt zu sein. Er war damals knapp über 60, was damals ein ganz anderes Alter war. Damals war man mit 60 nicht mehr so fit wie heute. Lehár war auch nicht mehr gesund und hatte Angst vor der fremden Sprache.
Was Sie beim Lehár-Festival tun klingt ja schon wie eine Vorleistung auf die Kulturhauptstadt 2024. Sind Sie in Kontakt mit der neuen künstlerischen Leiterin?
Sie war in einer meiner Vorstellungen und wir hatten bereits sehr konstruktive Gespräche. Ich finde es natürlich toll, dass Bad Ischl Kulturhauptstadt sein wird, und ich möchte mich da natürlich sehr gerne einbringen. Wir sind ja schließlich das größte Kulturfestival in der Region.
Mit der Auswahl der „Csárdásfürstin“ für den diesjährigen Spielplan rühren Sie auch noch an ein weiteres Thema – den Umgang mit den in Operetten oft und gerne besungenen „Zigeunern“. Wie stehen Sie dazu?
Ich setzte mich natürlich auch bei diesem Thema sehr ernsthaft mit den Fragen der politischen Korrektheit auseinander. Dass die „Zigeuner“ – um einmal bei diesem Wort zu bleiben – unter den Nazis gelitten haben steht außer Frage. Aber die Vertreter dieser Volksgruppe empfinden diese Bezeichnung als Schimpfwort und da kommt natürlich noch eine weitere Ebene hinzu. Die Diskussion darüber ist sehr wichtig, weil natürlich die Sprache immer die ersten Hinweise auf den Umgang mit Menschen und den Respekt vor Kulturen gibt. Genauso wichtig finde ich die politisch korrekte Sprache beim Umgang mit Frauen. Ich überprüfe das gerade bei Stücken wie der „Csárdasfürstin“. Wir haben in unserem Team einen Sinti und auch mit ihm habe ich viel über den Begriff „Zigeuner“ geredet. Wie auch in vielen Gesprächen mit Vertretern dieser Volksgruppe ist mir da klar geworden, dass diese Bezeichnung unter Musikern nicht negativ behaftet ist. Die wollen sogar so benannt werden. Da jetzt mit der moralischen Keule dreinzuschlagen wäre falsch. Damals, als die Operetten geschrieben wurden, war das Wort „Zigeuner“ gebräuchlich. Wenn man „Zigeuner“ rückwirkend zum Schimpfwort erklärt, würde man damit auch die Menschen abwerten, die früher so bezeichnet wurden. Aus diesem Grund haben wir auch im dritten Akt der „Csaárdasfürstin“ das Wort „Zigeuner“ belassen. Aber ich respektiere natürlich, dass die Nachfahren dieser Menschen heute „Roma“ und „Sinti“ genannt werden wollen. Wachsam müssen wir bleiben, wenn in einem älteren Stück oder einer Operette das Wort „Zigeuner“ abwertend eingesetzt ist. Dann müssen wir natürlich andere Wege, andere Bezeichnungen finden.
Sie werden mit Ihrem kritischen Zugang zur Operetten-Tradition vielleicht einen Teil des Stammpublikums herausfordern. Wie groß ist die Akzeptanz für Ihren Weg?
Wir sind auf die Akzeptanz des Publikums angewiesen, weil wir die Kosten für die Inszenierungen zu 85 % über den Kartenverkauf finanzieren müssen. Daher bemühe ich mich, die kritische Aufarbeitung der Operetten-Vergangenheit so unterhaltsam wie möglich zu machen und die Zuschauer-Auslastung ist trotz der Corona-Einschränkungen auch in diesem Jahr sehr hoch. Karten und Abonnements für das Jahr Léhar-Festival 2022 sind übrigens jetzt schon im Vorverkauf zu haben lacht).
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