Wer ihn kannte, dem sind seine wachen Augen und seine Bescheidenheit unvergesslich. Franz Hubmann (1914–2007) bildete mit Harry Weber und Erich Lessing das Meistertrio der österreichischen Nachkriegsfotografie.
Er hat in seinem facettenreichen Oeuvre die Alltags-, Kultur- und Gesellschaftsgeschichte Österreichs im Bild festgehalten und mit vielen Porträt-, Architektur-, und Landschaftsaufnahmen das visuelle Gedächtnis der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich mitgeprägt.
Die Albertina widmet dem Fotokünstler im Musensaal eine monografische Ausstellung und zeigt 118 Künstlerporträts aus einer Schenkung des Ex-Galeristen und Sammlers Helmut Klewan.
Von Andy Warhol bis Joseph Beuys, gleich zu Beginn der Schau als Teaser präsentiert, von Pablo Picasso bis Maria Lassnig, von Marc Chagall bis Georges Braque – der Hauptfotograf der 1954 gegründeten legendären Kulturzeitschrift magnum hatte sie alle vor der Kamera.
50er-Jahre in Wien
Früh auch die Zeitgenossen der Wiener Szene von Josef Hoffmann über Oskar Kokoschka bis zu den Schrittmachern der heimischen Moderne – Rainer, Hundertwasser, Gütersloh, Boeckl und Wotruba. Am liebsten möglichst spontan, natürlich und ohne Pose. „Er hasste die Inszenierung“, sagt Albertina-Kuratorin Anna Hanreich.
So entstanden prägnante Bilder – Höhepunkte der österreichischen Fotokunst. Mehr noch: Bildserien, die die Kunstkoryphäen des Jahrhunderts im Ambiente ihrer Ateliers zeigen.
Was wollen Sie von mir? Das scheint der Blick von Alberto Giacometti zu fragen. Merken Sie nicht, dass Sie stören? Hubmann nützte die Chance des flüchtigen Aufeinandertreffens, und die Schnappschüsse vor dem Atelier des Bildhauers sind in die Zeitgeschichte der künstlerischen Zeitgeschichte eingegangen.
Heimito von Doderer nannte Hubmann einen literarischen Fotografen, weil seine Bilder keiner Erläuterung bedürfen und der Fantasie Spielraum lassen. Das Hier und Jetzt war für den Bildjournalisten, wie er sich anfangs nannte, entscheidend: Eine Herausforderung, den genau richtigen Moment zu erwischen, um von Inhalt und Komposition her das Typische festhalten zu können.
Seine Spezialität war, „auf Katzenpfoten zu fotografieren“, so Hanreich. Mit wachem und zugleich diskretem Blick war Hubmann ein „Chronist des Wesentlichen“, wie die Galerie Westlicht eine Schau zu seinem 90er nannte.
Emotion im Bild
Hubmann-Fotos vermitteln ein G’spür des Mannes am Auslöser für aussagekräftige Augenblicke. Sie zaubern Emotion ins Bild. Sie glänzen vor Menschlichkeit, Menschenkenntnis, Charme und technischer Perfektion. Und was sagt uns ein Bild unmittelbarer als Worte? Was tut sich hinter den abgebildeten Gesichtern? Wir wissen es nicht, können es nur erahnen. Denn das Bild ist ein undurchsichtiges Hilfsmittel zur Erklärung einer Situation. Aber es ist wichtig, dass es da ist – auch wenn die Interpretation letztlich offen bleibt.
Hubmann ist ätzender als sein von ihm bewunderter Kollege Henri Cartier-Bresson; er sah sich „dort, wo der Qualtinger ist“, nahm „die Leute stärker auf die Schaufel“. Seine Fotos erzählen Geschichten, lassen uns oft schmunzeln oder entlarven als Menschenstudien.
Aus allen spricht uns ein Ästhet an, der wichtige Dokumente von Zeit und Zeitgenossen geschaffen hat. „Und die erschüttern einen“, sagt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, „weil man sieht, wie hier die Zeit vorüber fließt – rasant und unerbittlich. Man begegnet einigen großen Künstlern wenige Tage vor ihrem Tod und anderen in ihrem Augenblick der Krankheit. Und schließlich auch einigen, die zufällig in ein Atelier hineinschneien wie Max Ernst oder der große Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler im Gespräch mit Picasso. Es ist eine Begegnung mit der Geschichte.“
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