Ein Tanz in der Zentralbank

Ein Tanz in der Zentralbank
Bei der ausverkauften Party feiert am Samstag die Band Ja, Panik ihr Comeback.

Also schwärzer kann man sein Leben und sein Umfeld nicht mehr sehen, oder?“

Nein, kann man nicht. Andi Spechtl, Sänger, Gitarrist und Songwriter von Ja, Panik hat recht: Das vorige Album seiner Band war düster und intensiv, kroch mit seiner depressiven Sicht des sozialen und politischen Klimas bis ins Mark, blieb schwer im Gemüt hängen, auch wenn der letzte Ton von „DMD KIU LIDT“ (kurz für: Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit) längst verhallt war.

Reaktion

Deshalb setzen Ja, Panik mit ihrem am kommenden Freitag erscheinenden Album „Libertatia“ den Gegenpol zum Vorgänger, machen im Sound eine Kehrtwende – weg vom von Dylan und Velvet Underground beeinflussten Sound, hin zu elektronischem Alternative-Pop, der das Tanzbein genauso stimuliert wie das Hirn. Und das, sagt Spechtl im KURIER-Interview, sei eine direkte Reaktion auf die resignierte „Alles sinnlos“-Atmosphäre von „DMD KIU LIDT“.

„Was kommt nach einer Anti-Haltung, mit der man sich von allem losgesagt hat? Im besten Fall ist das ein neuer Morgen. Und den haben wir Gott sei Dank gefunden. Diesen Moment, wo man sich nicht mehr von dem ganzen Wahnsinn erdrücken lässt, sondern sich eine neue, positive Methode sucht, damit umzugehen.“

Karl-Marx-Zitat

Bestes Beispiel für die neue Methode ist der Song „Dance The ECB“. Darin schlägt Spechtl vor , in der Europäischen Zentralbank zu tanzen. Abgeleitet hat er das von dem Karl-Marx-Zitat: „Man muss die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt“.

„Der Song zeigt sehr gut diese andere Einstellung. Es geht ums Tanzen, aber genauso um aktuelle, brisante Dinge. Nur macht man es sich damit nicht mehr so schwer.“

Mystisch

Den Titel „Libertatia“ hat Spechtl vom Buch „Schauplatz der englischen Seeräuber“, das einen mystischen – und höchstwahrscheinlich fiktiven – Ort namens „Libertatia“ beschreibt. Eine von Piraten gegründete Republik, die im 17. Jahrhundert im Norden von Madagaskar gelegen haben und nach den Grundsätzen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit funktioniert haben soll.

Wobei Spechtl zugibt, dass es ihm beim Übernehmen des Namens nicht primär um einen utopischen Gegenentwurf zum Kapitalismus ging. Ihm gefiel einfach nur das Wort.

Denn in einigen der Songs werden Ja, Panik diesmal auch persönlich. So handelt „Eigentlich wissen es alle“ von der Situation der Band, die schon vor Jahren vom Burgenland nach Berlin gezogen ist, weil sie nur dort mit der Musik überleben konnte.

Kompromisslos

„In dem Song frage ich, wie lange man so ein kompromissloses Musikerleben, das sich dem Kommerz verschließt durchhalten kann, wenn man die wilden 20er-Jahre hinter sich hat.“

Zwei von Ja, Panik haben es nicht durchgehalten. Keyboarder Christian Treppo und Gitarrist Thomas Schleicher stiegen aus, um einen monetär lohnenderen Lebensweg zu finden. Spechtl, Stefan Pabst (Bass) und Sebastian Janata (Drums) dagegen haben „eine Trotzhaltung entwickelt“. Und die, sagt Spechtl, ziehe sich auch durch die politisch gefärbten Songs von „Libertatia“.

„Es ist diese Trotzhaltung, auf Veränderungen zu insistieren – auch wenn man die Hoffnung, dass sich bald etwas ändern könnte, als blauäugig erkannt hat. Aber während uns das vor einigen Jahren noch deprimiert hat, machen wir jetzt das Beste daraus.“ Wie, das zeigen Ja, Panik beim FM4-Geburtstagsfest live am Samstag in der Ottakringer Brauerei in Wien.

Moby mit nacktem Oberkörper, getaucht in zuckerlbuntes Licht auf der Bühne. Davor eine Wand von dicken Schneeflocken und 3000 FM4-Fans, die sich zu „Why Does My Heart Feel So Bad“ in Moonboots wegshaken. Sooo kultig war das – aber auch sooo kalt.

Und dieses FM4-Geburtstagsfest mit Headliner Moby im Jahr 2000 war nicht das einzige, das im langjährigen Gastspiel dieses Events in dem ehemaligen Schlachthof in St. Marx bei Schneefall stattfand.

Ein Problem, das heuer keine Rolle mehr spielen wird. Denn das FM4-Fest wurde von der Arena in die Wiener Ottakringer-Brauerei verlegt. Wobei die Kälte nicht der Hauptgrund war: „Wir wollten einfach einmal eine andere Location ausprobieren, weil Veränderung einem Jugendsender immer guttut“, erklärte Jenny Blochberger, die Pressesprecherin des Senders.

„Aber ein Nachteil ist es natürlich nicht, dass man sich nicht mehr in so viele dicke Schichten hüllen muss.“

Infos zum Fest

Das Hauptprogramm

Das FM4-Geburtstagsfest (25. Jänner, Wien/Ottakringer Brauerei) ist ausverkauft. Im „Wohnzimmer“ spielen u. a.

Ja, Panik (21.30 Uhr), The Hidden Cameras (22.40 Uhr),

S O H N ( 23. 50 Uhr) und The Notwist (1.40 Uhr)

Nebenschauplätze

Im „Keller“ treten Caged Animals (22.20 Uhr), Koenigleopold (23.50 Uhr) und Blood Red Shoes (2.20 Uhr) auf. Im „Badezimmer“ stellt sich das Audiolith-Label vor, im „Garten“ spielt Hannes Duscher und Tribe Vibes gibt es in der „Küche“.

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